Behandlungsfehler

Handyfotos gelten als Beweis

Ein Oberlandesgericht spricht einem Jungen Schadenersatz zu. Die Mutter konnte mit Handyfotos nachweisen, dass die Hirnhautentzündung zu spät behandelt wurde.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Die Waffe der Patienten: Mit Handyfotos können sie Fehlentscheidungen desmedizinischen Personals dokumentieren.

Die Waffe der Patienten: Mit Handyfotos können sie Fehlentscheidungen desmedizinischen Personals dokumentieren.

© Maksim Kabakou / fotolia.com

OLDENBURG. Mit einem Handy aufgenommene Fotos des Patienten können unter Umständen einen medizinischen Behandlungsfehler beweisen. Mit einem jetzt bekannt gegebenen Urteil erkannte das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg Handy-Fotos als Nachweis für die verspätete Behandlung einer Hirnhautentzündung an.

Damit sprach es einem heute neunjährigen Jungen Schmerzensgeld und Schadenersatz zu; deren Höhe steht allerdings noch nicht fest.

Der damals fünfjährige Junge war 2011 mit Schüttelfrost und hohem Fieber in ein ostfriesisches Krankenhaus aufgenommen worden.

Die Ärzte leiteten eine Infusionstherapie ein, die jedoch keine Besserung brachte. Am Abend und in der Nacht erbrach der Junge mehrfach. Gegen vier Uhr nachts löste sich dabei die Infusionsnadel. Der von der Mutter des Kindes herbeigerufene Pfleger sah jedoch keinen Handlungsbedarf.

Blau-schwarze Hautverfärbungen im Gesicht

Erst gegen sieben Uhr informierte eine Krankenschwester den diensthabenden Arzt, weil der Junge am ganzen Körper und im Gesicht blau-schwarze Hautverfärbungen hatte. Ursache waren Muskelnekrosen. Der Arzt vermutete eine Hirnhautentzündung und leitete eine Notfallversorgung ein. Eine Laboruntersuchung bestätigte den Verdacht.

Zur weiteren Behandlung wurde der Junge zunächst in ein Krankenhaus in Oldenburg und dann in eine Hamburger Klinik verlegt. Dort mussten beide Unterschenkel amputiert werden.

Bis heute muss der Junge einen Ganzkörperkompressionsanzug sowie eine Kopf- und Gesichtsmaske tragen, um wulstige Narbenbildungen zu vermeiden.

Mit seiner Klage vor dem Landgericht Aurich verlangte der durch seine Eltern vertretene Junge ein Schmerzensgeld von 350.000 Euro sowie Schadenersatz. Die Hirnhautentzündung sei zu spät behandelt worden. Spätestens um vier Uhr hätte der Pfleger einen entsprechenden Verdacht haben und den Arzt rufen müssen.

Sachverständiger wertet Händy aus

Wie schon das Landgericht Aurich gab nun auch das OLG Oldenburg der Klage zunächst dem Grunde nach statt. Dabei stützten sich die Gerichte auf Fotos, die die Mutter mit dem Handy von ihrem Sohn gemacht hatte.

 Zwar bestritt das Krankenhaus, dass die Fotos in der betreffenden Nacht entstanden waren. Das OLG ließ jedoch das Handy durch einen Sachverständigen auswerten. Der bestätigte, dass die Fotos bereits vor vier Uhr in der Nacht entstanden waren.

Das OLG ging daher davon aus, dass der Pfleger die Hautverfärbungen erkannt und dennoch nicht den Arzt hinzugezogen habe. Dies sei ein grober Behandlungsfehler, der zu einer unnötigen Verzögerung der Behandlung geführt habe. Bei einer früheren Notfallbehandlung wären die Folgen jedenfalls nicht so gravierend gewesen.

Näheres soll nun wieder das Landgericht Aurich klären, um dann über die Höhe von Schmerzensgeld und Schadenersatz zu entscheiden.

Az.: 5 U 156/13

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