In Praxen und Kliniken

Qualitätskontrolle reicht nicht aus

Es gibt genügend Vorschriften zu Qualität in Praxen und Kliniken - trotzdem haben Fachleute auf dem 6. Nationalen Qualitätskongress einen Paradigmenwechsel gefordert.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Ärztin beim Aktenstudium: Qualitätssicherung ist ein wahrer Zeitfresser, aber es führt kein Weg an ihr vorbei.

Ärztin beim Aktenstudium: Qualitätssicherung ist ein wahrer Zeitfresser, aber es führt kein Weg an ihr vorbei.

© Ernert

BERLIN. Die Qualität soll das erste Ziel des Gesundheitswesens werden. Mit dieser Botschaft eröffnete der ehemalige Berliner Gesundheitssenator Ulf Fink den 6. Nationalen Qualitätskongresses in Berlin.

Die Referenten der Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag waren sich einig: Dann müssen die wirtschaftlichen Fehlanreize im Gesundheitswesen weg.

Nicht nur die wegen der Transplantationsskandale aktuell heiß diskutierten Chefarzt-Boni für besonders viele Operationen, sondern auch die auf anderen Wettbewerbsebenen, auf denen es überwiegend um Mengen und Preise geht.

Qualitätssicherung könne Defensivmedizin auslösen

Die Akteure des Gesundheitswesens müssten sich stärker für die Förderung von Qualität stark machen, forderte das unparteiische Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses Dr. Regina Klakow-Franck. Es bedürfe mehr Peer Reviews und mehr internen Qualitätsmanagements.

Die Messung von Qualität auf der Basis von Indikatoren reiche nicht aus. Das zeige das Beispiel der Hysterektomien. Die Qualität der Arbeit der Operateure werde gut bewertet. Aber die Güte der Indikationsstellung zeigten die Qualitätsberichte nicht.

Die Indikationsstellung sei ein zentrales Qualitätskriterium, ergänzte der Vorstandsvorsitzende der DAK Hamburg, Professor Herbert Rebscher. Jede Auswahl von Indikatoren sei ein normativer Akt, der das Verhalten der Ärzte steuern könne.

Qualitätssicherung könne auch Defensivmedizin auslösen. Deshalb müsse das Thema Risikoadjustierung in der Qualitätssicherung stärker berücksichtigt werden.

"Unzufriedenheit ist ein Qualitätsrisiko"

Einen Kulturwandel forderte der Allgemeinmediziner und Geschäftsführer des AQUA-Instituts, Professor Joachim Szecsenyi: "Wir müssen weg vom anekdotischen Reden über Qualität hin zum Zeigen von Qualität."

Es gebe bereits heute starke Indizien dafür, dass Qualitätsmanagement Arztpraxen nütze. Sie erreichten eine bessere Praxisorganisation.

Die Zufriedenheit im Praxisteam steige. "Unzufriedenheit im Praxisteam ist ein Qualitätsrisiko", sagte Szecsenyi.

Offenbar verhallt der Ruf nach mehr Qualität im System nicht ungehört. Patientensicherheit war ein Schwerpunkt bei der aktuellen Ausschreibung des Bundesforschungsministeriums zur Versorgungsforschung. Mehr als 200 Projekte haben sich um die Mittel beworben.

40.000 Prüfungen in den Praxen

KBV-Chef Dr. Andreas Köhler umriss die Qualitätsarbeit, die die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten bereits heute leisteten.

40 Leistungsbereiche in der ambulanten Versorgung seien an einen Genehmigungsvorbehalt gebunden. "Wer die Voraussetzungen nicht erfüllt, darf diese Leistungen nicht anbieten", erläuterte er.

Im Jahr 2011 hätten die Qualitätssicherungskommissionen der KVen in den Praxen 40.000 stichprobenartige Prüfungen vorgenommen.

3000 Ärzte beteiligten sich daran als Prüfer. Im ambulanten Sektor seien 8900 anerkannte Qualitätszirkel aktiv. Er frage sich, warum diese Instrumente nicht auch im stationären Sektor angewendet würden, so Köhler.

Keine guten Kritiken bekamen die Bemühungen der Selbstverwaltung um eine sektorenübergreifende Qualitätssicherung, die derzeit in ersten Testläufen erprobt wird. Es sei schwer, echte Qualitätsprobleme von reinen Dokumentationsproblemen zu trennen, sagte Köhler.

Das Erfassen von Behandlungen im Verlauf werfe große Probleme auf, sagte die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes Dr. Doris Pfeiffer. Die Sektoren seien zu unterschiedlich.

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