Luftverschmutzung

Weiter schlechte Luft in 20 Städten

Veröffentlicht:

BRÜSSEL. Die Bürger in 20 deutschen Städten müssen vorerst weiter mit zu schlechter Luft leben. Dort werde es trotz aller Anstrengungen wohl auch bis 2020 nicht gelingen, die EU-Grenzwerte für Stickoxide einzuhalten, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks am Dienstag nach einem Gespräch bei der EU-Kommission.

Die Brüsseler Behörde hält die deutschen Bemühungen für unzureichend. Damit wird eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wahrscheinlicher. Umweltkommissar Karmenu Vella hatte Hendricks und Vertreter aus acht weiteren Ländern wegenlangjähriger Überschreitung von Schadstoffwerten einbestellt. Neben Deutschland sind Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Rumänien, Ungarn, Tschechien und die Slowakei betroffen.

 Vella hatte das Krisengespräch als letzte Chance bezeichnet, eine Lösung für die Probleme zu präsentieren. Er verweist auf Atemwegs-, Krebs- und Herzerkrankungen wegen Luftverschmutzung und mehr als 400 000 vorzeitige Todesfälle in Europa pro Jahr.

Hendricks betonte nach dem Gespräch die Fortschritte. Die Zahl der deutschen Städte, in denen EU-Grenzwerte für Stickoxide überschritten werden, sei 2017 von 90 auf 70 gefallen. 50 weitere Kommunen lägen nur wenig über den Standards und würden diese bald einhalten.

In 20 Städten allerdings lägen die Messwerte so weit über den in der EU vereinbarten Grenzen, dass auch zwei Jahre zur Senkung nicht reichten. "Das werden wir kaum schaffen", sagte die SPD-Politikerin. "Aber wir werden uns deutlich in die Richtung bewegen, damit sie nicht mehr so erheblich über dem Grenzwert sind."

Nach Angaben des Umweltbundesamts sind die Großstädte und Ballungsräume am stärksten mit Stickoxiden belastet, darunter Hamburg, Berlin und München, das Ruhr- und das Rhein-Main-Gebiet. Eine übermäßige Belastung mit Feinstaub ist dagegen nach Hendricks Worten in Deutschland fast kein Thema mehr. Einzige Ausnahme sei Stuttgart.

"Natürlich sind wir noch nicht da, wo wir sein müssen", sagte Hendricks. Aber das Sofortprogramm saubere Luft der Bundesregierung werde für weitere Verbesserungen sorgen. Sie verwies zudem auf Auflagen für Fahrzeughersteller, Dieselautos sauberer zu machen.

Software-Updates: Ein Drittel weniger Stickoxid

Software-Updates könnten den Stickoxid-Ausstoß immerhin um 25 bis 30 senken. Sie habe die EU-Kommission um mehr Zeit für die Umsetzung zu gebeten. Doch sagte Hendricks auch: "Ich halte es für durchaus möglich, dass die EU-Kommission klagt."

Darauf deuten auch Vellas Äußerungen nach dem Treffen mit Hendricks und den Vertretern der anderen acht Länder hin. Es habe einige positive Vorschläge gegeben, sagte der EU-Umweltkommissar. Diese genügten aber nicht. "Die Standards zur Luftreinhaltung werden weiterhin überschritten werden."

Vella bekräftigte seine Absicht, vor dem EuGH zu klagen, wenn die Maßnahmen nicht ausreichten. Bis nächste Woche könnten die Mitgliedsstaaten ihre Zusagen noch vervollständigen. Hendricks sagte zu, die in Deutschland auf den Weg gebrachten Maßnahmen bis dahin noch einmal "zu illustrieren".

Ein Rechtsstreit vor dem EuGH würde sich vermutlich über Jahre hinziehen. Verliert Deutschland, drohen hohe Zwangsgelder. Um dem zu entgehen, könnten dann nur noch Sofortmaßnahmen helfen, zum Beispiel Fahrverbote.

Mit dem "Sofortprogramm saubere Luft" will die Bundesregierung Fahrverbote ausdrücklich vermeiden. Aus einem Topf mit rund einer Milliarde Euro sollen unter anderem Elektrobusse für den Nahverkehr, Fahrrad- und Fußgängerverkehr gefördert werden.

Greenpeace demonstrierte vor dem Brüsseler Treffen vor dem Gebäude der EU-Kommission. Mit aufgemalten blauen Lungen auf nackten Oberkörpern und Bannern forderten Umweltschützer "Clean Air Now" (Saubere Luft jetzt). Die Grünen im Bundestag warfen der Bundesregierung Versagen vor. "Ich kann nur hoffen, dass Brüssel diesmal hart bleibt im Sinne der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, im Sinne der sauberen Luft", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. (dpa)

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Blutzuckervariabilität

Wie die Time Below Range das Diabetes-Management verbessert

Let‘s talk about...

Tabuthema Sex: Wie spricht man es in der Sprechstunde an?

Lesetipps
Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung

Schwindel kann viele unterschiedliche Ursachen haben. Mit den richtigen Fragen kommt man aber zur richtigen Diagnose.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

BAM-Kongress 2025

Schwindel in der Hausarztpraxis: Fünf Fragen zur Ursachenfindung

Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt