Kooperation | In Kooperation mit: AOK-Bundesverband

Innovationsfondsprojekt „STATAMED“

Ambulant und stationär auf Augenhöhe

Am Gesundheitszentrum St. Vincenz in Essen-Stoppenberg rücken stationäre und ambulante Versorgung im Projekt „STATAMED“ nah zusammen. Aischa Nitardy, ärztliche Leiterin des Innovationsfondsprojektes, berichtet, wie das Modell in der Praxis gelingt.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Dr. Aischa Nitardy ist Chefärztin am Gesundheitszentrum St. Vincenz in Essen-Stoppenberg und dort ärztliche Leiterin des Innovationsfondsprojektes „STATAMED“.

Dr. Aischa Nitardy ist Chefärztin am Gesundheitszentrum St. Vincenz in Essen-Stoppenberg und dort ärztliche Leiterin des Innovationsfondsprojektes „STATAMED“.

© KERN, Kristin Janzen

Am Gesundheitszentrum St. Vincenz in Essen haben Sie im April 2024 die neue sektorenübergreifende Versorgungsform an den Start gebracht. Als ärztliche Leiterin steuern Sie dabei ein großes Gesundheitsnetzwerk. Wer gehört in Essen dazu?

Im Essener Norden wurden vor einigen Jahren zwei Kliniken geschlossen. Um die Versorgung nachhaltig zu sichern, gründete die Stadt Essen gemeinsam mit der Katholische Einrichtungen Ruhrgebiet Nord GmbH, kurz KERN, als Krankenhausbetreiber und dem Ärztenetz Essen Nord-West e.V. die Betriebsgesellschaft Gesundheitszentrum St. Vincenz. Unser Ziel ist es, den ambulanten und den stationären Sektor eng zu verzahnen.

Zu unserem großen Gesundheitsnetzwerk gehören die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, sowohl Hausärzte als auch Fachärzte, der Rettungsdienst, die Pflegeeinrichtungen und die anderen Kliniken in Essen. Als ärztliche Leiterin an diesem Standort bin ich sowohl für die Steuerung und Versorgung der Patientinnen und Patienten wie auch für die gute Zusammenarbeit im Netzwerk verantwortlich.

Wie läuft die Zusammenarbeit in der Praxis?

Die Kommunikation zwischen den zuweisenden Ärztinnen und Ärzten und uns soll in dem Versorgungsmodell intensiviert werden. Die Zuweisung eines Patienten startet mit einem Einweisungsgespräch, in dem über den jeweiligen Patienten informiert und das Behandlungsziel besprochen wird. Die Patienten erhalten bei uns eine leitliniengerechte Therapie des entsprechenden Krankheitsbildes. In deren Behandlung ist ein interdisziplinäres Team involviert, bestehend aus Ärztinnen, Ärzten, Pflegekräften, ,Flying Nurses‘ und Patientenlotsen.

Mich hat es sehr gereizt, neben der üblichen Klinikarbeit als Chefärztin eine völlig neue Versorgungsform mit dem sektorenübergreifenden Schwerpunkt umzusetzen und zu verbessern sowie zugleich eine neue Klinik aufzubauen. Ich habe eine intensive Kommunikation mit unseren Zuweisern.

Was ist der zentrale Unterschied in der Zusammenarbeit verglichen mit der Regelversorgung?

Der Unterschied ist die enge Vernetzung des ambulanten und des stationären Sektors sowie das Arbeiten in einem sektorenübergreifenden interdisziplinären Team. Unsere ,Flying Nurses‘ können vorstationär und poststationär ambulant eingesetzt werden. Die Patientenlotsen kümmern sich vom Tag der Aufnahme an um die sozialmedizinischen Fragen rund um den Patienten. Die ganze Behandlung erfolgt viel effizienter und gezielter als in der üblichen Regelversorgung. Die niedergelassenen Kollegen sind eng an der Behandlung der Patienten beteiligt.

Heute zum Beispiel hat mich eine Hausärztin angerufen und ihre 63-jährige Patientin eingewiesen, die unter Atemnot und Herzinsuffizienz leidet. Danach meldete sich ein Hausarzt wegen eines Krebspatienten mit Schmerzen zur Schmerzeinstellung im Rahmen der Palliativversorgung. Wir haben beide Patienten aufgenommen und können sie aufgrund der Gespräche und der vorliegenden Befunde gezielt versorgen. An der täglichen Visite, in der die weitere Behandlung besprochen wird, nehmen neben mir als Chefärztin auch die Stationsärzte, die Pflegefachkraft der Station sowie die ,Flying Nurses‘ und die Patientenlotsen teil.

,Flying Nurses‘ und Patientenlotsen – wie sind diese ausgestattet und qualifiziert?

Die ,Flying Nurses‘ sind unsere mobilen Pflegekräfte, die vor und bis zu 28 Tage nach dem Klinikaufenthalt zu Hause ambulant eingesetzt werden können. Sie sind gut ausgebildet und gut telemedizinisch ausgestattet. Sie haben in der Regel ein mobiles EKG oder ein Ultraschall-Gerät dabei und können die entsprechenden Untersuchungen vor Ort machen. Sie können beispielsweise Blut abnehmen, wenn die Blutwerte ambulant nachkontrolliert werden müssen. Wir sind telemedizinisch vernetzt, so dass ich in Echtzeit die Daten auswerten und über eine Videokamera sogar direkt mit der Pflegekraft und auch mit dem betroffenen Patienten sprechen kann. Eine solche Nachsorge übernehmen wir in Absprache mit dem betreuenden Haus- oder Facharzt.

Meine Erfahrung ist, dass viele der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen kaum Zeit haben, um viele Hausbesuche zu machen und sehr froh sind, wenn die Nachsorge in Absprache mit ihnen weiterhin erfolgen kann. Aufgabe der Patientenlotsen ist es, die Patienten und deren Angehörige zu sozialmedizinischen Themen zu beraten. Sollten sie beispielsweise spezifische Bedarfe erkennen – etwa Physiotherapie oder Hilfe im Alltag -, organisieren sie es. Bei Bedarf planen sie im Rahmen des Entlassmanagements auch, wie der Patient nach der stationären Versorgung weiter betreut wird.

Werden in St. Vincenz exklusiv nur jene Patienten behandelt, die bei „STATAMED“ eingeschrieben sind?

Nein, wir versorgen alle Patienten, die zu uns kommen. Wichtig ist mir, dass die niedergelassenen Kollegen über die neue Versorgungsform Bescheid wissen. Hausärztinnen und Hausärzte, die am „STATAMED-Projekt“ teilnehmen wollen und die die zusätzlichen Leistungen zu der Regelversorgung nutzen wollen, müssen sich registrieren und auch ihre Patienten müssen einverstanden sein und zustimmen.

Wie ist Ihre Bilanz nach dem ersten Jahr?

Ich freue mich sehr, zu sagen, dass die Bilanz sehr gut ist. Das Vertrauen bei den Zuweisern und bei den Patienten nimmt stetig zu. Viele der niedergelassenen Kollegen schätzen die enge Kommunikation und unsere Nachsorge-Angebote. Wir haben bis jetzt mehr als 700 Patienten und Patientinnen versorgt. Die Altersspanne reicht von 18 bis 102 Jahren. Die Zufriedenheit bei den Patienten ist sehr groß. Das freut mich sehr als Ärztin.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Perianale Herpesinfektion: Bietet sich da eine Impfung an?

© Porträt: BVKJ | Spritze: Fiede

Sie fragen – Experten antworten

Perianale Herpesinfektion: Bietet sich da eine Impfung an?