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Positionspapier

Besondere Therapiesituationen: Webfehler im AMNOG beheben!

Neuartige Therapien zeichnen sich dadurch aus, dass sie maßgeschneidert für sehr kleine Patientengruppen entwickelt werden. Das erschwert den Nutzennachweis durch RCT-Studien. Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen fordert, die Lücken im AMNOG zu füllen.

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Genomanalysen sind oft Basis zur Entwicklung personalisierter Therapien.

Genomanalysen sind oft Basis zur Entwicklung personalisierter Therapien.

© selvanegra / Getty Images / iSto

Neue Therapieansätze sind in den letzten Jahren zunehmend zielgerichteter für eng definierte kleine Patientengruppen geworden. Der Trend wird sich fortsetzen, beispielsweise durch die im April beginnende Umsetzung des Modellvorhabens genom.DE, das die Ganz-Genom-Analyse zur Leistung der GKV macht (Paragraf 64e SGB V).

Für Patienten mit Seltenen Krankheiten oder genetisch verursachtem Krebs bedeutet dies Zugang zu erweiterter Diagnostik, in der Folge aber auch erhöhte Chancen auf neue personalisierte Therapieansätze. Dazu zählen insbesondere auch neuartige Gen- und Zelltherapien, die für Betroffene Aussicht auf verbesserte oder sogar erstmalige Therapiemöglichkeiten bedeuten können.

Problem: Kleine Patientengruppen

Diese Patientengruppen sind oftmals so klein, dass für sie ein Nutzennachweis aus praktischen und ethischen Gründen nicht mithilfe von RCT erbracht werden kann. Darauf ist bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung reagiert worden: Sie berücksichtigt den Schweregrad und die Seltenheit einer Krankheit, den ungedeckten medizinischen Bedarf und frühe Hinweise darauf, dass Patienten von dieser Therapie in besonderem Maße profitieren. Unter diesen Bedingungen kann auf RCT verzichtet werden.

Im Prinzip wird auch bei der Nutzenbewertung anerkannt, dass es Umstände geben kann, bei denen es „unmöglich oder unangemessen ist, Studien höchster Evidenz durchzuführen“. Dann sollen Nachweise der „bestverfügbaren Evidenzstufe“ vorgelegt werden.

Bewertungspraxis läuft ins Leere

Das läuft jedoch in der Bewertungspraxis ins Leere, weil solche Umstände nicht systematisch geprüft werden. In der Folge werden dann eingereichte Studien – etwa einarmige Studien mit historischen Kontrollen – als nicht verwertbar eingestuft, so dass der Zusatznutzen als „nicht belegt“ gilt.

Der vfa sieht im AMNOG daher einen Webfehler, dessen Wirkung auf die Erstattungsbeträge sich durch das GKV- Finanzstabilisierungsgesetz verschärft hat. Durch das Spargesetz wurden unter anderem

die Umsatzgrenze, ab der bei Orphan Drugs eine volle Nutzenbewertung durchgeführt werden muss, auf 30 Millionen Euro gesenkt und damit das Privileg, wonach der Zusatznutzen mit dem Orphan-Status als belegt gilt, eingeschränkt;

die zulässigen Jahrestherapiekosten begrenzt: Wird kein Zusatznutzen anerkannt, dürfen sie nicht über der Vergleichstherapie liegen, wenn diese generisch ist; sie müssen um zehn Prozent geringer sein, wenn die Vergleichstherapie ein patentgeschütztes Medikament ist.

In der Folge bedeutet dies eine Verschlechterung der Erstattungsbedingungen insbesondere für stratifizierte und personalisierte Therapien für kleine und kleinste Patientenpopulationen. Das wiederum kann sich negativ auf die Verfügbarkeit und den Einsatz solcher Therapien auswirken und wäre überdies auch kontraproduktiv etwa zu den Zielsetzungen des vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Modellprojekts genom.DE, das zurzeit an den Start geht.

Welche Evidenz ist angemessen?

Aus diesem Grund fordert der vfa, dass bei der Nutzenbewertung regelhaft und frühzeitig geprüft werden muss, ob es unmöglich oder unangemessen ist, Studien der höchsten Evidenzstufe zu fordern. Bei dieser Prüfung sollen die Zulassungsbehörden und Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis eingebunden werden. Dabei soll auch die wissenschaftliche Beratung im Rahmen der Zulassung berücksichtigt werden. Prüfkriterien sollen die Besonderheiten der Therapiesituationen abbilden, vor allem den ungedeckten medizinischen Bedarf – etwa das Fehlen einer Therapiealternative –, sowie den Schweregrad der Erkrankung und die Größe der Zielpopulation.

Sind diese Kriterien erfüllt, dann sollten Nachweise der bestverfügbaren Evidenzstufe bei der Bewertung akzeptiert werden. Für die Bewertung solcher Therapiesituationen sollte der G-BA unter Einbeziehung der relevanten Stakeholder adaptierte Methoden für die praktikable Bewertung von Studien unterhalb der höchsten Evidenzstufe festlegen. Dazu sollten Kriterien für die Verwendung von externen Kontrollen und Methoden zur Identifikation von Störfaktoren sowie für Surrogatendpunkte entwickelt werden. Auch die Nutzung von Versorgungs- und zunehmend besseren Registerdaten wird als Option angesehen.

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› Bericht: Helmut Laschet

› Redaktion: Rebekka Höhl

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