Kooperation | In Kooperation mit: AOK Bundesverband

Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln

Die globale Dimension der Wirkstoffproduktion bleibt

Transparente Lieferketten und mehr Wirkstoffproduktion in Europa sind Bausteine der künftigen Arzneimittelstrategie der Union. Ein Ende der Globalisierung und europäische Autarkie sind damit aber nicht gemeint, haben Teilnehmer an einer Diskussionsveranstaltung der AOK betont.

Von Anno Fricke Veröffentlicht:
AOK im Dialog ganz digital: Blick in das von der Bundespressekonferenz gestellte Studio.

AOK im Dialog ganz digital: Blick in das von der Bundespressekonferenz gestellte Studio.

© AOK Bundesverband

Berlin. Die Corona-Pandemie hat die Sicherheit der Arzneimittelversorgung Europas in den Blickpunkt gerückt. Im Frühjahr wurden von Intensivstationen in Deutschland zum Beispiel die auf Intensivstationen benötigten Arzneien Propofol und Arterenol als knapp gemeldet. Solche Engpässe bestätigen den negativen Trend. Insgesamt galten in diesem Jahr bereits mehrere hundert Arzneien vorübergehend als nicht lieferbar.

Die deutsche Ratspräsidentschaft in Europa hat die offenbar werdenden Schwächen aufgegriffen und vier Themen auf die europäische Agenda gesetzt: Mehr Transparenz über die Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion, die Qualitätssicherung, die Diversifizierung der Lieferketten und Anreize, die Produktion von Wirkstoffen wieder zurück in die Europäische Union zu holen.

Europäische Dimension

Bei der international besetzten Diskussionsveranstaltung des AOK-Bundesverbands „Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln als gesamteuropäische Herausforderung“ betonten die Teilnehmer die europäische Dimension des Problems. Wichtig sei nicht nur, Informationen über die Lieferketten zu gewinnen, unterstrich der stellvertretende Geschäftsführer der EU-Arzneimittelagentur (EMA), der Belgier Noël Wathion. Es komme auch darauf an, dann etwas mit diesen Informationen anzufangen.

Erste Schritte werden auf EU-Ebene unternommen, ein europäischer Gesetzgebungsprozess ist in Vorbereitung. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) soll mehr Kompetenzen erhalten, Vorkommnisse, die zu Arzneimittelengpässen führen, dauerhaft zu beobachten und im Ernstfall von sich aus ein Krisenmanagement in Gang setzen können. Im Verlauf der kommenden beiden Jahre könnten diese Themen konkret in europäische Gesetzgebungsverfahren eingespeist werden, sagte Dr. Lars Nickel vom Bundesgesundheitsministerium.

Es kommt nicht darauf an, wo produziert wird, sondern wie Arzneimittel hergestellt werden.

Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes

Viele Wirkstoffe werden gar nicht mehr in Europa produziert. In China und Indien sind zwei Drittel der Zulassungen für die Wirkstoffproduktion konzentriert, zeigt eine im Auftrag des Branchenverbandes progenerika erstellte aktuelle Untersuchung. Und nicht nur das. Die Wirkstoffe werden in nur wenigen Regionen dieser Länder hergestellt, elf versorgungswichtige Wirkstoffe unter anderen auch in der chinesischen Provinz Hubei, in deren Hauptstadt Wuhan das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 im Dezember 2019 zuerst entdeckt worden ist.

Die Globalisierung werde sich nicht zurückdrehen lassen, sagte Christa Wirthumer-Hoche von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. Unter den geltenden Preisbedingungen werde es schwer für Europa, unabhängig von Wirkstoffherstellern in Asien zu werden. Helfen könnten ein Logo „Made in Europe“ und bei Preisverhandlungen höhere Zuschläge für in Europa hergestellte Produkte. Die Engpässe sind nicht per Federstrich zu beseitigen. „Wir werden weiter auf Produktion in Asien setzen“, sagte Nickel. Für strategisch wichtige Wirkstoffe, zum Beispiel Antibiotika, werde es aber hoffentlich gelingen, mehr Produktion wieder nach Europa zu holen. Das solle konkret im Kreis der Mitgliedsstaaten vereinbart werden.

Saubere Standards

Sichere Wirkstoffproduktion in Europa setze eine sichere Grundstoffproduktion ebenfalls in Europa voraus, wandte die Europaabgeordnete der Grünen Jutta Paulus ein. Dazu gehöre der Druck der Kundschaft auf die chemische Industrie, auch bei der Grundstoffproduktion saubere Standards einzuhalten. Sie regte an, die Zulassung von Arzneimitteln an den Nachweis diversifizierter Lieferketten zu knüpfen.

„Es kommt nicht darauf an, wo produziert wird, sondern wie Arzneimittel hergestellt werden“, sagte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Martin Litsch. Die Krankenkassen hätten über Verträge die Möglichkeit, die Umwelt- und Sozialstandards der Produktion zu steuern. Das sei wichtiger als die industriepolitische Frage, wo welche Werke hingestellt werden müssten.

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