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DDG-Chefin Bitzer zur Zuckerreduktion

Eine Steuer allein reicht auch nicht

Der Nutri-Score kann durchaus etwas im Markt bewegen, sagt Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Andere Länder machten es vor. Auch fordert die DDG seit Jahren eine Zuckersteuer. Doch diese müsste durch weitere Maßnahmen flankiert werden, so Bitzer.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:
„Wir fordern auch ein Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Produkte“, sagt DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer.

„Wir fordern auch ein Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Produkte“, sagt DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer.

© Dirk Michael Deckbar / DDG

Frau Bitzer, achten Sie beim Einkauf auf den Zuckergehalt der Produkte beziehungsweise worauf achten Sie genau?

Barbara Bitzer: Ich achte schon auf den Zuckergehalt und mache mir dafür auch die Mühe, die Nährwerttabelle auf der Rückseite durchzulesen. Aber die Zeit habe ich auch nicht immer, wie wahrscheinlich viele Menschen. Deshalb ist eine einfache Kennzeichnung auf der Vorderseite so wichtig, die ja jetzt mit dem Nutri-Score auch kommt. Allerdings bisher nur freiwillig. Wir fordern eine verpflichtende Kennzeichnung. Dafür muss sich Deutschland auf europäischer Ebene einsetzen, denn gesetzlich geht das nur europaweit.

Worin liegen denn hier die besonderen Vorteile?

Der Nutri-Score führt nicht nur dazu, dass die Menschen gesünder einkaufen. Er motiviert auch die Hersteller zu Innovationen. In Frankreich hat beispielsweise die große Supermarktkette Intermarché die Rezepturen ihrer 900 Eigenprodukte so verändert, dass diese die Nutri-Score-Bewertung A, B oder C bekommen, also sehr günstig bis mittelmäßig. In Belgien hatte ein Supermarkt eine Aktion, dass es Prozente auf alle Produkte mit Nutri-Score A oder B gab. Also einen direkten Anreiz für die Kunden, gesund einzukaufen. Das zeigt, wie viel Bewegung der Nutri-Score in den Markt bringt.

Das erste Monitoring der Nationalen Innovations- und Reduktionsstrategie zu Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten des BMEL zeigt, dass eine äußerst geringe Reduktion des Zuckergehalts erreicht wurde. Wie bewerten Sie das Ergebnis?

Die Ergebnisse sind gemischt, aber insgesamt enttäuschend. Bei einigen Produktgruppen gibt es eine Verringerung, etwa bei Kinderjoghurts. Aber bei anderen hat sich fast gar nichts getan, etwa bei Cola und Limonaden. Und immer noch gibt es Kinder-Cerealien mit 48 Gramm Zucker pro 100 Gramm. Fast die Hälfte des Produkts ist Zucker. Insgesamt sind aber vor allem die festgelegten Zielwerte der Reduktionsstrategie viel zu gering. Selbst wenn diese erreicht werden, wird das für den Kampf gegen Übergewicht nicht viel bringen. Das war auch einer der Gründe, warum die DDG aus dem Begleitgremium für die Strategie ausgetreten ist.

Und was empfiehlt die Diabetesgesellschaft in diesem Zusammenhang?

Wir setzen uns seit Jahren für verbindliche und bevölkerungsweite Maßnahmen ein. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, die Aufnahme freier Zucker auf weniger als zehn Prozent der Gesamtenergiezufuhr zu begrenzen. Freie Zucker sind zugesetzte Mono-und Disaccharide, ebenso Zucker aus Honig oder Sirupen, und auch Zucker aus Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten. Diese empfohlene Menge ist ohnehin schnell erreicht, deshalb sind solche überzuckerten Produkte so problematisch. Wir fordern beispielsweise für Erfrischungsgetränke eine Reduktion des Zuckergehaltes um 50 Prozent.

Barbara Bitzer

  • Ausbildung: approbierte Apothekerin
  • aktuelle Position: Seit Juli 2017 Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
  • berufliche Stationen: 2014 bis Juli 2017 Referentin für Gesundheitspolitik in der DDG

www.deutsche-diabetes- gesellschaft.de

Wie stehen Sie zu Forderungen nach der Einführung einer Zuckersteuer?

Wir fordern das seit vielen Jahren. Das Beispiel Großbritannien zeigt, wie wirksam dieses Instrument ist. Und dass am Ende sogar die Unternehmen mitziehen. Dort hat sich die Industrie zunächst sehr gegen eine solche Steuer gewehrt. Inzwischen bewerten 60 Prozent der Getränkehersteller die Steuer sogar positiv: Sie verkaufen nun neue Produkte mit weniger Zucker. Eine Steuer allein reicht aber auch nicht. Was wir brauchen, ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Wir fordern deshalb auch ein Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Produkte. Diese ist in vielen Länder schon reguliert. In Deutschland hingegen darf man Kinder noch ungehindert zum Konsum von Süßigkeiten animieren. Dabei gibt es Belege, dass Werbung dazu führt, dass Kinder mehr Kalorien aufnehmen.

Haben Sie einen Tipp für Arzt- Patienten-Gespräche mit Blick auf Zucker?

Schulung und Ernährungsberatung sind ein ganz wichtiger Bestandteil der Therapie von Menschen mit Diabetes. Üblicherweise erfolgt die Behandlung durch ein Team aus behandelndem Arzt und Diabetesberaterin oder -assitentin. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft bietet hierfür die entsprechenden Weiterbildungen an.

Neben der Analyse der Blutzuckerwerte werden individuell aktuelle Ernährungs- und Bewegungsempfehlungen besprochen und praktische Tipps für den Alltag gegeben: Welche Lebensmittel sollte ich meiden, welches Obst ist günstig, wie kann ich Zucker einsparen, etc. Allerdings sind Ärzte und ihre Patienten auch damit konfrontiert, dass sie zwar in den Praxen gut schulen, die Verbraucher aber an jeder Ecke auf ungesunde, günstige Nahrungsangebote stoßen. Diese werden mit großem Aufwand beworben und häufig kann man auf den ersten Blick gar nicht erkennen, was alles verarbeitet wurde. Deshalb brauchen wir auch ein gesundheitsförderndes Umfeld, mit verbindlichen Maßnahmen, wie sie in anderen Ländern längst umgesetzt werden. Hier ist die Politik gefragt.

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