Kooperation | In Kooperation mit: AOK-Bundesverband

Potenzial von Polymedikationsvereinbarungen

Kliniknotfälle wegen Medikationsfehlern vermeiden

Alleine in Niedersachsen werden wegen vermeidbarer Medikationsfehler jährlich etwa 50 .000 Patienten als Notfälle in Kliniken eingeliefert und behandelt, erklärt Dr. Juliane Cornelsen.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: Frau Dr. Cornelsen, Sie leiten das Vertragsmanagement im Bereich Arzneimittel. Wo sehen Sie hier die größten Herausforderungen?

Dr. Juliane Cornelsen: Ein großes Thema für uns ist die Polymedikation. Etwa die Hälfte aller älteren Menschen nimmt mindestens fünf Arzneimittel ein. Bei multimorbiden über 65-Jährigen stapeln sich dann die Medikamente. Und diese Arzneimittel werden nicht unbedingt nur vom Hausarzt verschrieben, sondern auch von unterschiedlichen Fachärzten, etwa Rheumatologen, Diabetologen oder Kardiologen.

Patienten wissen deshalb oft nicht im Detail, welche Medikamente und in welcher Dosierung sie einnehmen. Allein bei uns in Niedersachsen sind vermeidbare Medikationsfehler für etwa 50 .000 Krankenhausnotaufnahmen jährlich verantwortlich. Um dem entgegen zu wirken, haben wir schon vor Jahren Verträge für mehr Therapiesicherheit bei Medikamenten mit Ärzten und Apothekern geschlossen.

Was sehen diese Verträge vor?

Die Polymedikationsvereinbarung regelt eine besonders koordinierte Beratung von Patienten im Alter ab 65 Jahren. Voraussetzung ist, dass sie am Hausarztmodell der AOK teilnehmen und eine Vielzahl an Wirkstoffen verordnet bekommen. Hausärzte können, das Einverständnis der Patienten vorausgesetzt, gezielt eine Apotheke mit einer Beratung zur individuellen Medikation beauftragen oder wahlweise die Patientin oder den Patienten selbst beraten.

Die AOK Niedersachsen liefert dem Hausarzt dafür die nötigen Arzneimittelinformationen. Die Ärztin oder der Apotheker erläutern dem Patienten die Wirkweise der eingenommenen Medikamente, informieren über mögliche Nebenwirkungen sowie Gegenanzeigen und prüfen auf Wechselwirkungen zwischen den Präparaten.

Ein zusätzlicher Vorteil neben der Gesamtschau auf die Medikation ist, dass die Patienten mehr Kompetenz im Umgang mit ihren verordneten Arzneimitteln erlangen und schließlich auch die jeweilige Therapie besser akzeptieren.

Aber damit lassen sich nicht alle Medikationsprobleme bei Älteren lösen…

Das ist richtig. Ärzte, aber auch Apotheker und Pflegepersonal brauchen vor allem einen wachen Blick. Es kann für einen älteren Menschen zum Beispiel sensorisch schwierig sein, eine Blisterverpackung zu öffnen. Oder er kann wegen seines schlechten Gehörs der Erklärung zur Medikamenteneinnahme nicht folgen. Hier sind eine Individualisierung von Leitlinien sowie Gespräche mit Patienten und deren Angehörigen hilfreich. Zudem bieten die diversen Gesellschaften, etwa der Geriatrie, auch Fragebögen zur Orientierung an. Mittels solcher Hilfen lässt sich leichter ermitteln, ob ein Patient überhaupt in der Lage ist, einen Medikationsplan zu verstehen.

Dr. Juliane Cornelsen

  • Leiterin Vertragsmanagement AOK Niedersachsen für den Bereich Arzneimittel
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