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Brustkrebs-Früherkennung

Mamma-Diagnostik: Künftig wirft auch die KI einen Blick darauf

Unter dem Titel Qualitätsgesicherte Mamma-Diagnostik (QuaMaDi) gibt es in Schleswig-Holstein seit 2001 eine Doppelbefundung durch zwei Experten. Seit Juli 2025 kann zur Auswertung und Beurteilung der Bilder zusätzlich KI eingesetzt werden. KV-Chefin Bettina Schultz erläutert, wie dies die Versorgung verbessert und was sich damit für Ärzte und Patientinnen verändert.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Dr. Bettina Schultz ist Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein (KVSH).

Dr. Bettina Schultz ist Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein (KVSH).

© KVSH

Frau Dr. Schultz, das Brustkrebs- Früherkennungsprogramm QuaMaDi setzt seit Langem auf eine strukturierte Doppelbefundung. Jetzt kommt moderne Technik zum Einsatz …

QuaMaDi gibt es in Schleswig-Holstein flächendeckend seit 2005. Es ist ein bundesweit einmaliges Untersuchungsprogramm für Frauen mit erhöhtem Risiko oder einem Verdacht auf Brustkrebs sowie in der Brustkrebsnachsorge. Grundlegend ist die strukturierte Zusammenarbeit aller beteiligten Arztgruppen – von den niedergelassenen Gynäkologen, den Radiologen bis hin zu den Pathologen und Ärzten in spezialisierten Brustzentren in Kliniken.

Das Besondere an QuaMaDi: Jede Mammographie-Aufnahme wurde nicht nur von einem, sondern zusätzlich durch einen zweiten, unabhängigen Radiologen beurteilt. Zudem ist der gesamte Prozess digitalisiert. Das bedeutet, dass alle Bilder und Befunde auf einer zentralen telematischen Plattform – der sogenannten elektronischen Fallakte – gebündelt sind und die beteiligten Ärzte darauf zugreifen können. Das Neue ist: Seit Juli 2025 kann auch Künstliche Intelligenz zur Zweitbefundung eingesetzt werden.

Was genau macht die Künstliche Intelligenz (KI)?

Die Beurteilung von Mammographien ist überaus komplex. Es erfordert höchste Konzentration. Gerade in kritischen, unsicheren Fällen ist eine zweite Meinung sinnvoll und wichtig. Vom jetzt möglichen Einsatz der KI versprechen wir uns, die Entdeckungsraten von Brustkrebs zu steigern, ohne dass es zu falschem Alarm oder unnötigen Zusatzuntersuchungen kommt.

Die KI-Software sichtet die Bilder und markiert die Stellen, die auf dem Bild auffällig sind und wo sich ein Tumor bereits gebildet haben könnte. Sie arbeitet dabei sehr genau und entdeckt so etwa 98 Prozent der Stellen. Sie markiert auffällige Strukturen und berechnet die Wahrscheinlichkeiten für eine mögliche bösartige Veränderung. Kurz gesagt: Sie zeigt an, wo genauer hingeschaut werden sollte.

Gut für die Patientinnen …

Ja, denn je früher eine Krebserkrankung erkannt wird, umso höher sind die Heilungschancen. Die betroffenen Frauen profitieren ganz erheblich, wenn kritische Befunde doppelt gesichtet und beurteilt werden. In der PRAIM-Studie, die sich auf Screening-Mammographien bezog, konnte die Krebsentdeckungsquote mit zusätzlicher KI-Anwendung in der Befundung um 17 Prozent gesteigert werden.

Ist das neue Angebot für alle Patientinnen gedacht?

Das Programm ist explizit für jene Frauen gedacht, die ein hohes Krebs-Risiko haben. Aktuelle medizinische Studien betonen, dass es sehr darauf ankomme, wer genau in einer Familie an Brustkrebs erkrankt ist und in welchem Alter dies aufgetreten ist. Die Gynäkologen müssen nachfragen und herauszufinden, ob das Risiko der jeweiligen Patientin tatsächlich erhöht ist. In der Regel ist dies der Fall, wenn mehrere Angehörige ersten Grades oder sehr junge enge Verwandte eine Brustkrebserkrankung hatten.

Aber auch Frauen mit einem kritischen Tastbefund sowie Frauen in der Brustkrebsnachsorge können von QuaMaDi profitieren. Der Radiologe als Erstbefunder kann für diese Gruppe an Patientinnen eine KI-Software für die zweite Befundung einsetzen. Dies wird auch in der elektronischen Fallakte vermerkt.

Die KI übernimmt die Aufgabe des Arztes, der Ärztin?

Nein, ganz und gar nicht. Die finale Entscheidung über den Befund bleibt dabei uneingeschränkt bei der Radiologin, bei dem Radiologen. Die KI-Software ersetzt nicht die ärztliche Diagnostik, sondern unterstützt sie bei einem wesentlichen Schritt.

Die KI braucht zum Training reale Röntgenaufnahmen von Patientinnen. Wie wurde die Anwendung trainiert?

Wir arbeiten in Schleswig-Holstein mit etwa fünf KI-Anbietern zusammen, die ihre jeweilige KI mit hunderttausenden Mammographie-Befunden trainiert haben. Das KI-Produkt muss dafür als Medizinprodukt anerkannt sein und eine europäische Lizenz erhalten haben.

Für das Training greifen die Hersteller weltweit auf Millionen von Röntgenbildern mit bestätigten Karzinomen zurück. Für das Training hat die KI dann Vorgaben erhalten, auf was sie beim Scannen der Bilder achten soll und welche Strukturen und Muster auf eine Krebserkrankung hindeuten. Mit dieser Technik lässt sich die Röntgenaufnahme sehr genau untersuchen. Das Wissen, das im Training erlernt wird, ist die Basis, um auch aktuelle Mammographien gut beurteilen zu können.

Muss ich als Patientin bei der KI-Analyse mitmachen?

Die Patientinnen müssen in das Vorgehen einwilligen. Die betroffenen Frauen entscheiden, ob die KI-Software eingesetzt wird oder nicht.

Muss die Patientin denn aktuell den KI-Einsatz als Privatleistung zahlen?

Nein, auf die Patientin kommen keine Kosten zu. Die radiologische Praxis schließt mit einem dieser lizensierten Hersteller einen Vertrag ab, muss die KI implementieren und zahlt dann einen geringen Euro-Betrag pro befundetes Bild an den KI-Anbieter. Die Praxen müssen auf der QuaMaDi-Plattform registriert sein.

Das Land Schleswig-Holstein stellt zudem für das Modellprojekt eine Förderung in Höhe von 500.000 Euro aus dem Versorgungssicherungsfonds bereit. Diese Landesmittel fließen unter anderem in die Installation der KI in den Praxen und in die Finanzierung der Gebühren für den KI-Einsatz. Weiterhin unterstützen fast alle gesetzlichen Krankenkassen das Projekt QuaMaDi, indem sie ein Honorar für den Mehraufwand der beteiligten Ärztinnen und Ärzte zahlen.

Ziel ist es, das bisherige Modellprojekt möglichst bundesweit in der Regelversorgung zu etablieren, sodass alle Betroffenen davon profitieren können.

Wer haftet für einen falschen Befund?

Die KI sichert die Befunde erheblich ab, aber deren Einsatz verändert nicht das Vorgehen und nicht die Verantwortung des Arztes. Die behandelnden Radiologen müssen alle Ergebnisse der KI prüfen – auch die, die unauffällig eingestuft wurden. Und sie haften unverändert dafür.

Hand aufs Herz: KI ist notwendig, weil die Radiologen und Radiologinnen fehlen, aber es wird dadurch eher teurer.

Die Ressourcen sind begrenzt, auch in der Radiologie. Die KI bietet die Chance, die Gesundheitsversorgung dennoch auf einem hohen Niveau zu sichern, da sie Prozesse effizienter macht. In der Fortentwicklung von QuaMaDi haben wir darauf geachtet, dass die Kosten nicht in die Höhe schießen.

Der Kreis der Patientinnen, die daran teilnehmen können, wurde daher auf jene Frauen eingeschränkt, die ein sehr hohes Risiko haben. Durch eine genauere Risikostratifizierung wurde die Gruppe der Teilnahmeberechtigten um etwa 20 Prozent reduziert. Zugleich konnten wir sichern, dass wir genau jene erreichen, die vom KI-Einsatz erheblich profitieren werden.

Die Früherkennung von Brustkrebs wird dadurch insgesamt zielgerichteter und sicherer?

Ja, die ärztliche Erfahrung und das medizinische Fachwissen werden durch die KI-Unterstützung ergänzt und gesichert. So können Auffälligkeiten früher erkannt, unklare Beurteilungen reduziert sowie falschnegative oder falsch-positive Ergebnisse minimiert werden. Die KI ermöglicht zudem eine gezieltere Steuerung der Fälle.

Wenn sowohl KI als auch die Radiologin oder der Radiologe einen Fall als unauffällig einstufen, kann die zweite ärztliche Befundung sogar entfallen. Dann bleibt mehr Zeit für die sorgfältige Beurteilung schwieriger, auffälliger oder grenzwertiger Befunde.

Vielen Dank für das Gespräch.

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