INTERVIEW

"Ein Hockeyspieler muß was einstecken können"

MÖNCHENGLADBACH. Das Jahr der Weltmeisterschaften in Deutschland ist noch nicht zu Ende. Nach Fußball- und Reiter-WM findet bis zum 17. September in Mönchengladbach die Hockey-Weltmeisterschaft der Herren statt. Mit dem Mannschaftsarzt der deutschen Nationalequipe, Dr. Rainer Koll aus Bergisch Gladbach, sprach unser Mitarbeiter Thomas Meißner.

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Ärzte Zeitung: Dr. Koll, welche körperlichen Anforderungen stellt Hockey an die Spieler?

Koll: Die Spieler müssen eine enorme Ausdauerleistung bringen. Diese Anforderungen sind deutlich höher als etwa beim Fußball. Die Spieler bewegen sich ausschließlich laufend und sprintend über den Platz. Sportphysiologisch arbeitet man da im absoluten Grenzbereich.

Ärzte Zeitung: Verletzungsbedingte Pausen bei Fußballspielern gehören ja zu Alltag. Wie sieht das bei Hockey-Spielern aus?

Koll: Kniebinnenverletzungen sind deutlich seltener als im Fußball. Denn beim Hockey wird der Ball mit einem Schläger bewegt, so daß es im Spiel nicht zu diesen heftigen Körperkontakten im Unterschenkel-Fuß-Bereich mit dem Gegner kommt wie im Fußball. Auch sind keine Spikes erlaubt, die Hockey-Schuhe haben nur eine gerippte Sohle. Ich habe es eher mit Muskelverletzungen zu tun. So werden die Adduktoren der Beine bei Ausführung der Strafecken erheblich belastet, weil der Spieler sie aus einem Spagatschritt heraus ausführt, wobei die Muskulatur maximal angespannt wird. Wenn der Kunstrasen nicht richtig gewässert ist, bleibt er stumpf. Dann bleibt man hängen und kann sich dann ebenfalls Verletzungen zuziehen.

Ärzte Zeitung: Welche gesundheitlichen Probleme treten noch auf?

Koll: Durch die gebückte Laufhaltung treten öfter Beschwerden in den unteren Lendenwirbelsegmenten auf mit Reizungen der Nervenwurzeln. Hinzu kommen Kontaktverletzungen mit dem harten Ball und mit dem Schläger. Ich will es mal so sagen: Ein guter Basketballspieler muß groß sein, eine Turnerin klein und leicht, und ein Hockeyspieler muß einfach was einstecken können. Es gibt keinen Spieler, der nicht mindestens einmal im Spiel vom Ball oder von einem Schläger erwischt wird. Dabei kommt es teilweise zu Platzwunden oder gar Fingerfrakturen. Auch sind die Kuppen der den Schläger umfassenden Finger bei Ballkontakten gefährdet. Die Bälle werden immerhin 140 bis 160 Kilometer pro Stunde schnell. Das ist eine Wucht, die eine Panzerglasscheibe zerstören kann!

Ärzte Zeitung: Wie schützen sich die Spieler vor Verletzungen?

Koll: Sie tragen einen Gebißschutz und Schienbeinschoner. Bei kurzen Ecken vor dem Tor tragen unsere Abwehrspieler kurzfristig eine Gesichtsschutzmaske, die nach Ausführung der Strafecke wieder abgelegt wird. Der Torwart trägt eine Montur, ähnlich wie beim Eishockey.

Ärzte Zeitung: Die körperliche Belastung erfordert sicher auch eine adäquate Ernährung der Spieler ...

Koll: Das ist von großer Bedeutung! Die Nationalmannschaft wird von einem sportwissenschaftlich erfahrenen Oecotrophologen betreut, der während internationaler Wettkämpfe mit den Hotels die Speisepläne auf den Trainingsplan abstimmt. Es geht in erster Linie um die Versorgung mit Kohlenhydraten und Proteinen, Vitaminen und essentiellen Aminosäuren unter Vermeidung von gesättigten Fettsäuren.

Pro Spiel verbraucht die Mannschaft zudem 60 bis 80, manchmal 100 Liter Getränke. Nach der Belastung müssen die Spieler innerhalb einer Stunde wieder essen, um ihre Kohlenhydratspeicher aufzufüllen.

Ärzte Zeitung: Bei dieser körperlichen Belastung würde Doping den Spielern ja durchaus "etwas bringen". Wie verhält es sich im Hockey mit der Doping-Problematik?

Koll: Auch die Hockey-Spieler unterliegen dem Kontrollsystem der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) für alle Spitzenathleten. Die A-Kader müssen das ganze Jahr über mit Kontrollen rechnen und müssen deshalb stets erreichbar sein, auch im Urlaub. Während der Turniere werden stichprobenartig nach den Spielen zwei Spieler pro Mannschaft zur Dopingkontrolle ausgelost.

Ärzte Zeitung: Hat es im Hockey bereits vergleichbare Doping-Skandale gegeben, wie wir sie kürzlich im Radsport oder in der Leichtathletik erlebt haben?

Koll: Nach meiner Kenntnis ist das nicht der Fall. Im Hockey gibt es nicht diese Doping-Mentalität, wie man sie vor allem früher durchaus bei anderen Athleten feststellen konnte, wo man als Sportarzt auch mal mit der Frage konfrontiert wurde, ob man nicht noch "irgendwas machen" könne.

Bei Nahrungsergänzungsmitteln nutzen wir im übrigen nur getestete Produkte, in denen keine Verunreinigungen, etwa durch Hormonvorstufen, enthalten sind.

Weitere Infos finden Sie im Internet unter www.hockeyworldcup.de, www.deutscher-hockey-bund.de und www.sport-hockey.de

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