Die Barmer und ihr Hausarztvertrag

Neue Wege in der Versorgung will 2005 die Barmer Ersatzkasse mit ihrem Hausarztvertrag gehen. Aber die Mischung aus Hausarzt- und Integrationsvertrag kann vor den Richtern des Bundessozialgerichts nicht bestehen.

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Immer zuerst zum Hausarzt. Bei den Kassen gehen die Meinungen über die Hausarztverträge auseinander.

Immer zuerst zum Hausarzt. Bei den Kassen gehen die Meinungen über die Hausarztverträge auseinander.

© Thinkstock

1. März 2005. Mit großen Erwartungen startet einer der ersten Hausarztverträge in Deutschland. Vertragspartner sind die Barmer Ersatzkasse, der Deutsche Hausärzteverband und der Deutsche Apothekerverband.

Allerdings ist der Barmer-Vertrag kein reiner Hausarztvertrag nach Paragraf 73 b SGB V, wie er nach der Verabschiedung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2003 abgeschlossen werden kann, sondern ein Vertrag nach Paragraf 140a SGB V - also ein Integrationsvertrag.

Aus Sicht der Barmer ein kluger Schachzug, denn so konnte sie sich bei KVen und Kliniken die dafür vorgesehene Anschubfinanzierung von einem Prozent für ihren Vertrag sichern.

Versicherte, die sich einschreiben, müssen nur einmal im Jahr die Praxisgebühr bezahlen, sie können also bis zu 30 Euro sparen. Dafür müssen sie sich verpflichten, immer erst den Hausarzt aufzusuchen und alle Medikamente nur aus einer teilnehmenden Apotheke zu beziehen.

Dadurch soll die Zahl der Facharztbesuche gesenkt und eine wirtschaftlichere Arzneiversorgung erreicht werden.

Jeder eingeschriebene Barmer-Patient bringt dem Arzt fünf Euro

Zu den Einsparungen bei den Arzneiausgaben sollen Rabattverträge mit Pharmafirmen beitragen. Ärzte erhalten pro eingeschriebenem Patient 15 Euro sowie eine Betreuungspauschale von 20 Euro. Umstritten ist die Verknüpfung mit den DMP.

Denn für jeden Barmer-Patienten, der sich dort auch noch einschreiben lässt, erhält der Arzt zusätzlich fünf Euro. Für die Kasse ein Geschäft, denn für chronisch Kranke gibt es mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich.

Doch auf lange Sicht hat die Barmer wenig Freude an dem Vertrag. Zwar nehmen im Jahr 2008 über 38.000 der bundesweit 55.000 Hausärzte teil, ebenso 18.000 Apotheken. Außerdem sind 2,2 Millionen von insgesamt über sieben Millionen Barmer-Versicherte eingeschrieben, aber der Vertrag rechnet sich für die Kasse nicht.

Denn am 6. Februar 2008 kippt das Bundessozialgericht eine tragende Säule.

Er sei nicht, wie offiziell deklariert, ein Vertrag zur Integrierten Versorgung, entschieden die Richter. Die integrierte Versorgung müsse Leistungen der Regelversorgung ersetzen, das sei hier nicht der Fall. Daraufhin muss die Barmer das Geld aus der Anschubfinanzierung zurückzahlen.

Versorgungsziele nicht erreicht

Außerdem wurden laut Barmer die Versorgungsziele nicht erreicht. Die Arzneiversorgung habe sich zwar verbessert, doch die Zahl der Klinikeinweisungen sei zum Beispiel nicht gesunken. So läuft der Vertrag Ende 2008 aus.

Als Vorzeigemodell bei Hausarztverträgen gilt heute die Vereinbarung nach Paragraf 73 b SGB V zwischen der AOK Baden-Württemberg, dem Hausärzteverband und Medi.

Bei den teilnehmenden Patienten ist die Einschreibequote in DMP höher, die unkoordinierte Inanspruchnahme von Fachärzten niedriger und die Arzneimittelausgaben stiegen langsamer als in der Regelversorgung, hat eine Evaluation dieses Vertrages für die Jahre 2008 bis 2010 ergeben. (chb)

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