Im Schweißcamp auf dem richtigen Weg

DIEMELSTADT (dpa). "Ich habe ‘ne Menge Scheiße gemacht." Das ist ein Satz, den man oft hört im Box-Camp im nordwesthessischen Diemelstadt. Der Ex-Boxer, Ex-Junkie und Ex-Alkoholiker Lothar Kannenberg leitet dort ein Trainingscamp für vorbestrafte Jugendliche.

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Kannenberg ist gelernter Metzger. Er hat, wie er sagt, in der Szene nichts ausgelassen. Nach einer Alkoholtherapie wurde er Hessenmeister im Boxen - und dann rauschgiftsüchtig. "Ich musste mich selbst aus dem Dreck ziehen. Heute bin ich ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft." So will er irgendwann auch die 22 Jugendlichen an seinem Tisch sehen. Deren Vorstrafenregister sind lang, alle Erziehungsmethoden sind gescheitert.

"Ich war wohl aggressiv", sagt Stefan. Der 15-Jährige war in Erfurt für Überfälle bekannt. Nach "sieben Wochen Knast" kam er zu Kannenberg. Der brachte ihm das Boxen bei. So ähnlich erzählt es auch Lorenz, der mit 15 in Untersuchungshaft war, weil er Leute ausgeraubt und hinterher "aus Frust" noch misshandelt hat. Und nicht anders ist es mit Julian, der mit 15 auffällig wurde.

"Was diese Jungs brauchen, ist Halt. Ich gebe ihnen Halt", sagt Kannenberg. Dabei geht es zuerst um Disziplin. Kurz vor sechs wird geweckt, nach dem Zähneputzen auf dem Hof ("Wetter ist egal") eine dreiviertel Stunde Frühsport, Frühstück, wieder Sport. "Schweißcamp" steht über der Trainingshalle. Nach dem Mittag, Kannenbergs Frau kocht mit den Jungs, 90 Minuten Ruhe, dann geht es weiter. "Aktiv sein", das brauchen die Jugendlichen laut Kannenberg, um sich an Leistung - und Selbstachtung - zu gewöhnen. In Bewegung sind sie den ganzen Tag - bis zur Bettruhe um halb elf.

Kritiker des Camps gibt es vor allem in der Nachbarschaft. Doch Kannenberg hat auch einflussreiche Fürsprecher. Etwa in der hessischen Landesregierung. "Wir beobachten und begleiten das Projekt seit langem", sagt Franz-Josef Gemein vom Sozialministerium. Das Boxcamp habe eine hohe Erfolgsquote. "Fachlich ist das absolut begrüßenswert."

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