Pflegeversicherung droht Millionen-Mehrbelastung

BERLIN (ble). Auf die gesetzliche Pflegeversicherung kommen bislang ungedeckte finanzielle Lasten von mehr als 300 Millionen Euro pro Jahr zu.

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Grund ist das mit der Pflegereform eingeführte Betreuungsprogramm der großen Koalition für demenziell oder psychisch erkrankte und geistig behinderte Pflegeheimbewohner. Die Arbeitsagenturen stellen in diesen Tagen einen Pool geeigneter Personen für das Programm zusammen.

Nach Angaben von K.-Dieter Voß, Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbands, haben etwa 50 bis 60 Prozent der 630 000 Heimbewohner Anspruch auf die besondere Zuwendung. Das wären zwischen 315 000 und 378 000 Personen, so Voß vor Journalisten in Berlin.

Für je 25 zu Betreuende können die Heime nach dem Willen der Koalition eine zusätzliche Pflegekraft einstellen. Voß rechnet für die Betreuung mit einem Zuschlag von knapp unter drei Euro pro betreuter Person und Tag auf den Tagessatz der Heime.

Bei 315 000 Pflegebedürftigen würde dies bei einem Zuschlag von drei Euro am Tag bundesweit zu Mehrkosten von etwa 345 Millionen Euro jährlich führen. Bei einem Zuschlag von 2,50 Euro betrügen die zusätzlichen Lasten für die Kassen noch 287 Millionen Euro. Voß wollte keine eigenen Zahlen nennen. Die zusätzlichen Lasten seien indes nicht durch die zum Juli erfolgte Erhöhung des Pflegebeitragssatzes von 0,25-Prozentpunkten gegenfinanziert.

Insgesamt rechnet Voß damit, dass die Heime für das Programm rund 10 000 neue Stellen einrichten werden, rechnerisch sind aber auch mehr als 15 000 möglich. Voß zufolge gehen die Arbeitsagenturen bisher von 5000 bis 7000 für das Programm geeigneten Arbeitslosen aus. Die neuen Kräfte dürften dabei weit weniger verdienen als Pflegefachkräfte mit dreijähriger Ausbildung.

Aufgabe der zusätzlichen Mitarbeiter in den Heimen soll die Motivierung, Betreuung und Begleitung im Alltag sein. Vorgesehen sind Aktivitäten wie Malen, Basteln, Lesen oder Vorlesen, Haustiere füttern, Musik hören oder spielen, Spaziergänge und Ausflüge, Bewegungsübungen oder der Besuch von Gottesdiensten oder Friedhöfen.

Wer als Betreuungskraft arbeiten möchte, muss nach einer am Dienstag verabschiedeten Richtlinie des Verbands zunächst ein Orientierungspraktikum von fünf Tagen, ein zweiwöchiges Betreuungspraktikum sowie eine Qualifizierung im Umfang von 160 Stunden absolvieren. Die Richtlinie muss noch vom Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden. Um einen schnellen Aufbau der Betreuung zu gewährleisten, sieht die Richtlinie eine Übergangsfrist bis Ende 2009 vor, bis zu der Personen, die über Erfahrung in diesem Bereich verfügen, die erforderlichen Qualifikationen nachweisen können.

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