Zu wenige Psychologen für zu viele kranke Soldaten

Immer mehr Soldaten kehren mit einer Belastungsstörung aus dem Einsatz zurück. Doch die Zahl der Ärzte für die Versorgung wächst nicht. Und: Nicht wenige Soldaten scheitern mit dem Antrag, dass ihre posttraumatische Belastungsstörung auch anerkannt wird.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Mehr Einsatz-Gefahren und auch mehr psychische Belastungen: Im Jahr 2010 wurden bereits 316 PTBS-Fälle gezählt - die Dunkelziffer liegt höher.

Mehr Einsatz-Gefahren und auch mehr psychische Belastungen: Im Jahr 2010 wurden bereits 316 PTBS-Fälle gezählt - die Dunkelziffer liegt höher.

© imago

BERLIN. Die Bundeswehr verzeichnet einen deutlichen Anstieg von Soldaten, die im Dienst erkrankt sind und in der überwiegenden Zahl an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden. Seit Beginn der Zählung im Jahr 1995 bis zum zweiten Quartal 2010 gab es insgesamt 868 Verfahren, von denen rund ein Drittel - genau 241 - anerkannt wurde.

Für 2010 gibt es bereits 140 Anträge, von denen bisher zwei abgelehnt wurden. Das geht aus einem Bericht des Verteidigungsministeriums an den zuständigen Bundestagsausschuss hervor, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

In dem Bericht wird deutlich, dass rund ein Drittel der Anträge abgelehnt wird - was für den Soldaten konkret bedeutet, dass er trotz einer Erkrankung aus dem Einsatz keine gesetzliche Sachleistung nach Bundesversorgungsgesetz erhalten kann. Um diese Anerkennung und damit eine finanzielle Absicherung für Gesundheitsschäden zu erhalten, muss man sich auf eine Verfahrenszeit von 15 bis 18 Monaten einstellen.

Besonders viele Anträge kommen von Soldaten, die im ISAF-Kontingent in Afghanistan stationiert sind. Vor allem bei ihnen ist die Zahl der Belastungsstörungen besonders hoch: Von den 466 Fällen, die 2009 gezählt wurden, entfallen 418 auf ISAF-Soldaten.

Für die beiden ersten Quartale 2010 wurden bereits 316 Fälle von PTBS gezählt. Inzwischen wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die die Höhe der Dunkelziffer und damit die Größenordnung der PTBS-Erkrankung in der Bundeswehr ermitteln soll.

Der aktuelle Bericht des Verteidigungsministeriums bestätigt erneut, dass im Sanitätsdienst rund 18 kurativ-psychiatrisch tätige Ärzte fehlen. Von den 42 Dienstposten sind 24 besetzt. Auch im künftigen "Traumazentrum", das als Forschungs- und Behandlungszentrum für PTBS am Bundeswehrkrankenhaus in Berlin aufgebaut wird, fehlen Ärzte.

Dort sind von zehn Posten für Fachärzte der Psychiatrie und Psychotherapie bisher nur vier besetzt. Das Ministerium geht nicht davon aus, dass sich die Zahl der Ärzte in der kommenden Zeit drastisch erhöht. Dafür sei die Stellensituation in zivilen Bereichen des Gesundheitswesens zu gut.

Derzeit greifen die fünf Bundeswehrkrankenhäuser in Koblenz, Berlin, Hamburg, Westerstede und Ulm auch auf zivile Fachkliniken zurück. Dies bezeichnet die Regierung als "zivil-militärische Zusammenarbeit mit Netzwerkcharakter".

Eine zentrale Behandlungsstelle für PTBS-Patienten, wie sie zu Beginn des Jahres diskutiert wurde, soll es laut Bericht definitiv nicht geben. Das Verteidigungsministerium setze darauf, den Soldaten eine "möglichst heimatnahe Versorgung" zu gewährleisten. Gleichzeitig werde mit der zivilen Kooperation aber auch "ein Engpass an bundeswehreigenen Psychiatern" kompensiert.

Dennoch schätzt die Regierung die Versorgungssituation der Soldaten als nicht bedrohlich ein: "Aktuell besteht kein Defizit in der Versorgung", so das Ministerium. Allerdings verfolge man das Thema "mit großer Aufmerksamkeit."

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