Hilfseinsätze stellen Ärzte vor große Herausforderungen

Ärzte aus ganz Japan reisten nach der Naturkatastrophe im Nordosten sofort in die Krisengebiete. In japanischen Medien berichteten sie über die ersten Tage vor Ort.

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Ärztin bei der Kontaminationsmessung: Pausenlos sind sie in den japanischen Katastrophenregionen im Einsatz.

Ärztin bei der Kontaminationsmessung: Pausenlos sind sie in den japanischen Katastrophenregionen im Einsatz.

© dpa

NEU-ISENBURG (maw). Als das Ausmaß der Verwüstung durch Erdbeben und Tsunami sowie das betroffene Kernkraftwerk in Fukushima noch nicht klar war, schickten verschiedene Hilfsorganisationen bereits wenige Stunden nach der Katastrophe vom Freitag, den 11. März, Ärzte und weiteres medizinisches Personal in das nordostjapanische Krisengebiet. In japanischen Medien berichteten Ärzte von ihren Hilfseinsätzen.

So entsendete die für akute Katastropheneinsätze spezialisierte Organisation DMAT (Disaster Medical Assistance Team) Ärzte, Krankenschwestern und Koordinatoren aus ganz Japan in das Krisengebiet. Aus der westjapanischen Präfektur Wakayama rief DMAT zum Beispiel Dr. Yasuhiro Iwasaki von der staatlichen Uni-Klinik in der Stadt Wakayama zum Hilfseinsatz.

Der Tageszeitung Mainichi Shinbun berichtete Iwasaki, dass er zusammen mit 14 Ärzten aus seiner Klinik sowie aus zwei weiteren Krankenhäusern vom 12. bis 14. März in die Präfektur Iwate zu Hilfe eilte. So hätten Patienten, die eine Nacht auf dem Dach eines Krankenhauses in der Stadt Rikuzentakada ausgeharrt hatten, keinerlei Papiere oder gar ihre Krankenversicherungskarte gehabt.

Der Tsunami hatte Wasser auf das Klinikdach gespült und alle Unterlagen weggeschwemmt. Wie Iwasaki schildert, schrieben die Ärzte als Notlösung Name und Diagnose, wie zum Beispiel Krebs, auf die Kleidung, um sie an sogenannte Severe Care Units (SCU), die in der Klinik spontan eingerichtet wurden, weiterzuverteilen.

Da auch Wakayama von einer ähnlichen Katastrophe heimgesucht werden könnte, appellierte Iwasaki an die Präfektur, mehr Hubschrauberkapazitäten für den FallderFälle vorzuhalten.

Durch die massiv verwüstete Infrastruktur musste Dr. Toru Takezaki schwere Rückschläge hinnehmen, wie der Chefarzt der Anästhesiologie an der Präfektur-Klinik in Hiroshima ebenfalls in der Mainichi Shinbun berichtete. Takezaki fungierte als Leiter eines von vier achtköpfigen DMAT-Teams, die aus Hiroshima in den Nordosten entsandt wurden.

Gemäß ihrer Aufgabe hatten sich die DMAT-Teams darauf eingerichtet, viele Schwerverletzte zu versorgen. Vor Ort trafen sie dann aber entweder leichtverletzte Opfer oder Leichen an. Da überall Trümmer den Weg versperrten, konnten Takezaki und sein Team nicht zu den Schwerkranken vordringen.

Diese wiederum konnten sich nicht alleine bewegen - eine für Takezaki sehr erschütternde Situation. Immerhin konnte er ein fünfjähriges Kind versorgen, das nach dem Gasausfall nach dem Beben auf einer elektrischen Platte Wasser kochen wollte und sich dabei Verbrennungen zugezogen hatte.

Für Dr. Shigeru Suganami, Präsident der Nichtregierungsorganisation AMDA (Association of Medical Doctors of Asia), ist diese Woche, die zweite nach Beginn der Katastrophe, für die Opfer aus psychologischer Sicht die entscheidende.

Im Interview mit dem medizinischen Informationsanbieter Career Brain schätzt er, dass diese Woche die Erschöpfungszustände der Opfer ihren Höhepunkt erreichen werden. Er greift dabei auf seine Erfahrung im Jahre 1995 während eines Hilfseinsatzes nach dem Beben in der westjapanischen Hafenstadt Kobe zurück.

Seien damals die Hilfsgüter binnen einer Woche an fast allen betroffenen Gebieten angekommen gewesen, so sei, wie er am 18. März sagte, die gegenwärtige Lage schlimmer. Aufgrund der Schäden an der Infrastruktur seien eine Woche nach dem Mega-Beben und den Tsunami viele Notunterkünfte noch vollkommen unterversorgt, für Hilfslieferungen schlicht nicht erreichbar.

Massiv beeinträchtige die Opfer in den Notunterkünften der nahezu totale Verlust der Privatsphäre, der zu Stress und Erschöpfung führe. Kinder bekämen Fieber, Erkältungen breiteten sich aus. Besonders ältere Menschen klagten laut Suganami über die Kälte und die plötzliche Umgebungsänderung.

Darüber hinaus belaste das tägliche Essen - kaltes Brot und kalte Reisbällchen - Magen und Darm und führe zu vermehrten Verstopfungen, wie der aus der westjapanischen Präfektur Okayama mit einem vierköpfigen Team - je zwei Ärzte und Krankenschwestern - angereiste Suganami berichtet.

Da die Vitamintabletten und Infusionen, die Suganami zum Einsatz mitbrachte, zur Neige gingen, habe er um Nahrungsmittel und Hygieneartikel aus Okayama gebeten. Ein Taxiunternehmer aus Okayama machte sich sofort auf den 20-stündigen Weg - gelebte Solidarität.

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