Geschubst und bespuckt: der Alltag von Rettungskräften

Eine Schulung soll den Umgang mit aggressiven Patienten oder Angehörigen trainieren - noch fehlt das Geld.

Von Jonas Tauber Veröffentlicht:

KÖLN. Rettungskräfte sollen für den Umgang mit aggressiven und desorientierten Personen gezielt geschult werden.

So kann der häufigen Gewalt gegen sie vorgebeugt werden, ist die Juristin Julia Schmidt von der Ruhr-Universität Bochum überzeugt. Nach einer von Schmidt erstellten Studie werden Rettungskräfte häufig von Patienten oder deren Angehörigen attackiert.

Die Gründe für die Aggressionen seien vielschichtig, erklärt Schmidt. "Zum einen befindet sich der Patient in einer Ausnahmesituation, zum anderen steht er oft unter Alkohol- oder Drogeneinfluss", sagt sie.

Viele Rettungskräfte fühlen sich von dieser Situation offenbar überfordert und verfügen nicht über die Souveränität und kommunikative Kompetenz, um Patienten und Angehörige effektiv zu beruhigen. "Der Helfer sollte sich vorstellen und genau erklären, warum er was wann macht", sagt Schmidt.

Noch sperre sich die Politik gegen eine Reform der Ausbildung, weil sie das nötige Geld nicht bereitstellen wolle, sagt Schmidt. "Dabei dürfte das gar nicht so teuer werden, weil entsprechende Programme ja bereits bei der Polizei existieren und nicht vollkommen neu konzipiert werden müssen".

Schmidt ist gegen Schutzwesten für Rettungskräfte

Zuständig für die Finanzierung der Rettungskräfte seien zwar die Kommunen, doch die könnten sich weitere Ausgaben angesichts ihrer schlechten Haushaltslage nicht leisten. Deshalb sieht Schmidt den Bund in der Pflicht.

Schutzwesten für Rettungskräfte, wie sie zum Beispiel das Bayerische Rote Kreuz in Nürnberg eingeführt hat, hält Schmidt für den falschen Weg.

"Ich gehe davon aus, dass eine solche Weste eskalierend wirkt, weil der Helfer damit signalisiert, dass er Angst hat und den Patienten als Bedrohung empfindet", sagt die Juristin.

Für die Studie befragten die Forscher der Ruhr-Universität Bochum rund 2000 Mitarbeiter von Rettungsdiensten und Berufsfeuerwehren in sechs Städten und Kreisen in Nordrhein-Westfalen. Zurück kamen 858 ausgefüllte Fragbögen.

Das Ergebnis: 98 Prozent haben verbale Attacken erlebt, 59 Prozent berichten von Erfahrungen mit mindestens einem aggressiven Übergriff. Darunter fällt das Abwehren, das Wegschubsen oder auch das Anspucken. 27 Prozent Teilnehmer erlitten in den vergangenen zwölf Monaten Körperverletzungen.

Die Aggressoren sind offenbar meistens Patienten oder deren Angehörige im Alter von 20 bis 39, nicht etwa marodierende Jugendliche.

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