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Digitale Gesundheitsanwendungen

AOK-Bundesverband: Nutzennachweis und Preisbildung bei DiGA verbessern!

Über zwei Jahre Gesundheits-Apps auf Rezept: Zeit, einige Webfehler im Zulassungsprozess und bei der Preisbildung auszubessern, meint Dr. Katrin Krämer vom AOK-Bundesverband im Interview.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:
Dr. Katrin Krämer ist Abteilungsleiterin Versorgungsmanagement im AOK-Bundesverband.

Dr. Katrin Krämer ist Abteilungsleiterin Versorgungsmanagement im AOK-Bundesverband.

© AOK-Bundesverband

Frau Dr. Krämer, wie fällt Ihre Bilanz zwei Jahre nach Einführung der DiGA in die Versorgung der gesetzlich Versicherten aus?

Ich ziehe eine durchwachsene Bilanz. Wir verstehen DiGA hauptsächlich als unterstützende Therapiebegleitung, was uns auch die Ergebnisse einer bundesweiten Online-Befragung von AOK-Versicherten bestätigen. Sie können unsere Versicherten dahingehend unterstützen, ihre gesundheitliche Versorgung mitzugestalten. DiGA bieten die Möglichkeit, die ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung zu ergänzen. Auch können sie genutzt werden, um etwa Wartezeiten – zum Beispiel auf eine Psychotherapie – zu überbrücken. Deshalb sehen wir als gesetzliche Krankenkasse DiGA grundsätzlich positiv.

Mit Blick auf die Befragungsergebnisse wissen wir aber auch, dass die Integration dieser digitalen Gesundheitsanwendungen in die Versorgung noch erheblich verbessert werden kann. Außerdem gibt es unerwünschte Entwicklungen, etwa beim Markteintritt von DiGA. Aufgrund des beschleunigten Bewertungsverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Aufnahme von DiGA in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen sind viele DiGA nur vorläufig gelistet. Das heißt, sie konnten noch keinen positiven Versorgungseffekt nachweisen.

Im Kern braucht es grundsätzliche Anpassungen bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Einführung eines wirklichen Nutzennachweises und die Abschaffung der freien Preisfestsetzung. Dies wird meines Erachtens dann auch zu mehr Vertrauen und Akzeptanz führen, insbesondere auf Seiten der Ärzteschaft. Denn auch Ärzte sehen DiGA durchaus kritisch. So hat ein im Dezember veröffentlichtes Gutachten der KV Bayerns unsere Kritikpunkte bestätigt. Demnach fehlt es den untersuchten DiGA vielfach an wissenschaftlicher Tiefe und an Evidenz über den Nutzen. Da unter anderem die Wirksamkeit sowie mögliche unerwünschte Wirkungen nicht immer geklärt seien, empfiehlt etwa die KV Bayerns die Verordnung von DiGA derzeit nicht.

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Sie fordern die Abschaffung der Erprobungs-Regelung für die DiGA – warum sehen Sie diese so kritisch?

Die Nutzung dieser DiGA muss bereits während des Erprobungszeitraums von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden, obwohl es völlig unklar ist, ob sie am Ende überhaupt einen positiven Effekt auf die Versorgung haben. Leistungen wie die ,Apps auf Rezept´ sollten aber nicht nur verfügbar sein, sondern vor allem Qualität und Sicherheit für die Versicherten bieten. Deshalb sollten diese Erprobungs-DiGA im Sinne der Patientensicherheit nicht von der GKV finanziert werden müssen. Auch für digitale Anwendungen sollte – wie für alle anderen Behandlungsmethoden – gelten, dass der Nutzen nachgewiesen sein muss, bevor die Versichertengemeinschaft sie bezahlt.

Wie sollte die Evidenzbewertung für DiGA in Zukunft aus Sicht der AOK laufen?

Eine grundlegende Voraussetzung für die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis ist der vom Hersteller zu erbringende Nachweis, dass die DiGA einen positiven Effekt auf die Versorgung hat. Hier prüft das BfArM auf Antrag der Hersteller die Voraussetzungen. Aber in Bezug auf den Nachweis des Nutzens verhindern nicht nachvollziehbare Vorgaben in der entsprechenden Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums eine sinnvolle Bewertung durch das BfArM. So ist eine vergleichende Studie völlig ausreichend, aus der sich ergibt, dass die DiGA-Nutzung besser ist als deren Nichtanwendung – und das möglichst in retrospektiven Auswertungen und auch nur als Vorher-Nachher Vergleich. Ein Vergleich mit anderen verfügbaren Behandlungen ist explizit nicht vorgesehen. Das reicht aus unserer Sicht nicht aus.

Wir fordern für DiGA gleich hohe Anforderungen an den Nutzennachweis wie bei anderen GKV-Leistungen. Es kann nicht sein, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bei Vertragsärzten erst dann zulasten der gesetzlichen Krankenkassen vergütet werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss aufgrund des nachgewiesenen Nutzens diese aufnimmt, die Leistung als DiGA aber ohne jeglichen Nutzennachweis einfach so in die Versorgung kommt.

DiGA, die ärztliche oder psychotherapeutische Behandlungen ersetzen sollen und sich auch im Preis an diesen orientieren, müssen dieselben Anforderungen an den Nutzen erfüllen und sich derselben Bewertung durch den GBA und das IQWiG stellen. DiGA, die Physiotherapeuten ersetzen wollen und mehr kosten als ausgebildete Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, müssen sich auch mit diesen vergleichen.

Auch macht es aus unserer Sicht keinen Sinn, gleichwertige Versorgungsleistungen von unterschiedlichen Institutionen bewerten zu lassen. Daher fordern wir, dass die Nutzenbewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden immer durch den GBA erfolgen sollte, wodurch am Ende die Prozesse und Entscheidungen transparenter wären. Dass dieser das auch in sehr schnellen Verfahren tun kann, zeigen die Erfahrungen mit der Bewertung des Zusatznutzens von Arzneimitteln.

Auch die relativ hohen Preise der DiGA standen in der Vergangenheit immer wieder in der Kritik. Ist das nach wie vor ein Problem?

Ja, wir fordern weiterhin eine grundlegende Reform der Preisbildung bei den DiGA und somit ein Ende der freien Preisbildung durch die Hersteller im ersten Jahr nach der Markteinführung. Wir könnten uns dabei an der Vorgehensweise bei den digitalen Pflegeanwendungen orientieren. Hier sind direkt nach dem Markteintritt dreimonatige Preisverhandlungen vorgesehen, der verhandelte Preis gilt dann ab Markteinführung. So werden auch mehr Wettbewerbs- und Wirtschaftlichkeitsanreize gesetzt und insbesondere auch die Verhältnismäßigkeit zur ärztlichen Leistung gewahrt.

Die AOK fordert einen Testzugang für DiGA für die Versicherten. Was hat es damit auf sich?

Ein Ergebnis der Befragung ist, dass fast jeder Vierte die Nutzung der DiGA vorzeitig abgebrochen hat. Dennoch muss die GKV den vollen Preis bezahlen. Deshalb ist es aus unserer Sicht sinnvoll, dass Versicherte für einen bestimmten Zeitraum, etwa 14 Tage, die Anwendung nutzen und prüfen können, ob die Inhalte, die Verständlichkeit und der Nutzen der DiGA ihren Anforderungen entsprechen. Für diesen Zeitraum könnte dann ein geringerer Betrag an den Hersteller gezahlt werden, wobei solch ein Zugang bei digitalen Angeboten in anderen Bereichen immer kostenlos ist.

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