Erstattungsbeiträge für Innovationen
Der Mischpreis ist immer auch ein Kompromiss
Verhandlungspartner und Schiedsstelle brauchen Gestaltungsspielraum bei der Bildung des Erstattungsbetrags, um auch Versorgungsaspekte angemessen zu gewichten.
Veröffentlicht:Die Notwendigkeit, einen Mischpreis nach einer frühen Nutzenbewertung zu bilden, der "irgendwo" zwischen dem Einführungspreis und dem Preis der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegt, entsteht dann, wenn die Zielgruppe von Patienten in zwei oder mehr Teilpopulationen differenziert worden ist. Dies kann bereits beim Zulassungsverfahren, aber auch auf Initiative des Gemeinsamen Bundesausschusses bei der Beratung zur Erstellung des Dossiers für die Nutzenbewertung geschehen. Möglich ist auch, dass das IQWiG bei der Erstellung seines Gutachten eine Differenzierung nach Patientenpopulationen vornimmt.
Bei dieser Konstellation ist es möglich, dass in einer Subgruppe ein Zusatznutzen anerkannt wird, in einer anderen nicht. Notwendig wird dann ein Kompromiss über einen Mischpreis, der nach Meinung von Experten und auch der Schiedsstelle nicht nach einem festen Algorithmus ausgerechnet werden kann.
Das ist relativ häufig. Bei 59 Prozent aller Verfahren (Stand Februar 2018) wurden zwei oder mehr Subpopulationen gebildet. Bei 41 Prozent dieser Verfahren anerkannte der GBA bei allen Patientenpopulationen einen Zusatznutzen – bei den anderen Verfahren wurde für einzelne Patientengruppen der Zusatznutzen als nicht belegt angesehen. Nur zu 17 Prozent waren inhaltliche Gründe ausschlaggebend, zu drei Viertel waren es formale Gründe, an denen der Beweis für den Zusatznutzen scheiterte. Während eine (zusatz-)nutzenbasierte Preisbildung bei Wirkstoffen mit einer Indikation und einer homogenen Zielpopulation nach Einschätzung der Gesundheitsökonomen Wolfgang Greiner und Julian Witte von der Universität Bielefeld unproblematisch ist, ist die Bildung eines Mischpreises bei einem heterogenen Nutzenbewertungsergebnis mit Unsicherheiten behaftet.
Als Anhaltspunkt für die Gewichtung können dabei Prävalenzschätzungen für die Teilpopulation mit und ohne Zusatznutzen herangezogen werden. Aber: Diese Daten gibt es nicht immer, und wenn es sie gibt, sind sie keineswegs sicher, wie eine Analyse von Greiner/Witte zeigt: Bei knapp 30 Prozent der Teilpopulationen konnte der GBA keine Prävalenzschätzung vornehmen, bei gut 40 Prozent wurde eine Spanne angegeben, bei 30 Prozent ein definierter Wert.
Prävalenzschätzungen sind aber nur ein Anhaltspunkt. Ein weiterer Aspekt können Annahmen über die Marktdurchdringung eines neuen Arzneimittels in Teilpopulationen sein. Aber auch das sind unsichere Prognosen, die nicht mit dem tatsächlichen Verordnungsverhalten der Ärzte übereinstimmen müssen.
So haben Greiner und Witte anhand von Verordnungsdaten der DAK untersucht, inwieweit die Prävalenzschätzung des GBA mit den tatsächlichen Verordnungen in Teilpopulationen übereinstimmen. Das Ergebnis ist heterogen. Es gibt Wirkstoffe, für die die Prävalenzschätzung des GBA durch das Verordnungsverhalten der Ärzte einigermaßen bestätigt werden.
In einem anderen Fall, einem Asthma-Präparat, war sich der GBA unsicher und schätzte die Größen der Teilpopulationen mit und ohne Zusatznutzen auf 50 zu 50. Die Schiedsstelle ging von 20 Prozent (kein Zusatznutzen) zu 80 Prozent aus.
Die Ärzte schließlich verordneten 97 Prozent in der Teilpopulation, für die der Bundesausschuss einen Zusatznutzen gesehen hat. Allerdings kann das Pendel auch zur anderen Seite ausschlagen. (HL)
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