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EU-Pharma Agenda: Impulse für die Arzneimittelversorgung in Deutschland

Pharma-Agenda: Deutschland nach der Bundestagswahl

Bezogen auf den Arzneimittelmarkt steht die neue Regierung unter klarem Handlungsdruck: Die Versorgungssicherheit ist zu gewährleisten und es ist dafür Sorge zu tragen, dass auch weiterhin potenzielle Innovationen in den Markt kommen. Dies gelingt nur, wenn ein entsprechendes Vergütungsvolumen vorhanden ist. Eine Novellierung bzw. Fortentwicklung des AMNOG ist erforderlich. Ein weiteres Thema, dessen wir uns annehmen müssen, ist die Entwicklung der Orphan Drugs. Dabei ist die Definition der Seltenen Erkrankungen und damit auch der Orphan Drugs noch einmal zu überprüfen. Weiterhin bereitet in Bezug auf die Generika die BfArM-Liste von momentan circa 500 versorgungsrelevanten, aber nicht ohne Weiteres lieferbaren Medikamente Sorge. Weiterhin ist auch auf all das, was zum Bestand gehört, ein prüfender Blick zu werfen. Eine intensive Debatte – im Sinne eines neuen Pharmadialogs – ist zu diesen Punkten zu führen.

Von Dr. Georg Kippels | Mitglied des Deutschen Bundestages und Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Gesundheit Veröffentlicht:
Pharma-Agenda: Deutschland nach der Bundestagswahl

© Metodi / picture alliance

Bezogen auf den Arzneimittelmarkt steht die neue Regierung unter klarem Handlungsdruck: Auf der einen Seite muss sie die Versorgungssicherheit gewährleisten und dafür Sorge tragen, dass auch weiterhin potenzielle Innovationen in den Markt kommen. Das wird aber nur gelingen, wenn auf der anderen Seite ein Vergütungsvolumen vorhanden ist, mit dem das abgedeckt werden kann. Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit sind zwei Seiten einer Medaille. Dabei wird jedoch immer deutlicher, dass die zur Verfügung stehenden Mittel die Ausgaben nicht decken können. Beitragserhöhungen sind die Folge. Auch in der neuen Regierung steht deshalb die Frage nach Kostenregulierung ganz oben auf der Agenda.

Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneimittel (ohne Impfstoffe) sind im Jahr 2024 um 9,7 Prozent auf 53,7 Milliarden Euro gestiegen. Auch in den Jahren zuvor gab es deutliche Steigerungsraten, die so aus Sicht der Krankenkassen nicht beibehalten werden können. 2022 fand mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und der Einführung der sogenannten „Leitplanken“, Kombinationsrabatte und dem Umsatzdeckel für Orphan Drugs ein erster Versuch statt, dem Kostenanstieg Einhalt zu gebieten und eine Kostendeckelung der Arzneimittelausgaben herbeizuführen. Leider ist dieser Versuch nicht gelungen, denn er führte, wie wir jetzt wissen, nur zu marginalen Einsparungen.

Gleichzeitig gab es aber – zumindest nach Aussage der Pharmaindustrie – den unerfreulichen Nebeneffekt, dass einige neue innovative Medikamente in Deutschland nicht in den Markt gebracht worden sind. Auch wenn deren Anzahl strittig ist, bleibt die Tatsache, dass die verabschiedeten Maßnahmen bezogen auf das beabsichtigte Ziel untauglich sind.

Im Medizinforschungsgesetz ist seitens der Ampelkoalition noch einmal eine Korrektur versucht worden. Aber auch hier konnte man sich leider nicht auf den großen Wurf einigen, die „Leitplanken“ komplett abzuschaffen, sondern es wurde lediglich eine Privilegierung vorgesehen, sofern ein gewisser Anteil von Studienteilnehmenden an bestimmten Prüfstellen in Deutschland teilgenommen hat. Aktuell ist noch nicht abzuschätzen, ob das wirklich hilft. Auf europäischer Ebene werden wir zudem die EU-Pharmastrategie sowie Vorgaben des EU-HTA berücksichtigen müssen.

Die spannende Frage in dieser Legislatur wird deshalb sein: Wie bekommen wir es hin, entsprechende Initiativen für die Neuentwicklung und die deutsche Markteinführung von neuen innovativen Medikamenten weiter zu ermöglichen. Meines Erachtens werden wir ohne weitergehende Veränderung unserer Zulassungspraxis im Zusammenhang mit dem AMNOG keinen Erfolg haben. Wir sollten deshalb – wie im Koalitionsvertrag verankert – in die Novellierung bzw. Fortentwicklung des AMNOG eintreten.

Neue Medikamente oder die Präzisionsmedizin können aufgrund ihrer neuartigen Wirkungsweise (Stichwort: Einmal-Anwendungen) zum einen die geforderten Studienvoraussetzungen vielfach nicht erfüllen und treiben zum anderen die Kosten immer weiter in die Höhe. Deshalb müssen wir zu einer anderen Vergütungsstruktur im Sinne von „Pay-for-performance“ kommen sowie flexiblere Modelle der frühen Nutzenbewertung erarbeiten, zum Beispiel durch versorgungsbegleitende Datenerhebung, um im Laufe der Therapie den Zusatznutzen patientenverträglich darstellen zu können.

Ich werbe schon seit Längerem dafür, in einen Austausch im Sinne eines erneuten Pharmadialogs einzutreten. Gemeinsam ließen sich Methoden zur Ermittlung des Zusatznutzens und der zweckmäßigen Vergleichstherapie erarbeiten, um die Schnelligkeit des Markteintritts mit der Wirtschaftlichkeit der dann zu verhandelnden Erstattungspreise in einen vertretbaren Einklang zu bringen.

Es gibt in diesem Zusammenhang auch noch ein weiteres Thema, dessen wir uns annehmen müssen: die Entwicklung der Orphan Drugs. Hier scheint es bei der Anwendung des Orphan Drug-Privilegs gewisse Ausreißer zu geben. Eigentlich bekannte Diagnosen werden über die Therapieschiene entsprechend feingliedrig aufgefächert, um dann unter das Zulassungsprivileg der Orphan Drugs zu fallen. Hier sollten wir die Definition der Seltenen Erkrankungen und damit auch der Orphan Drugs noch einmal überprüfen, damit diese nicht als Schlupfloch für die privilegierte Zulassung und damit die entsprechend höherpreisige Vergütung genutzt werden kann. Das alles sind immense Herausforderungen, und sie betreffen nur den Markt der innovativen Arzneimittel.

Zu betrachten gilt darüber hinaus auch noch die weitaus größere Anzahl der Generika. Hier bereitet uns vor allem die BfArM-Liste von momentan circa 500 versorgungsrelevanten, aber nicht ohne Weiteres lieferbaren Medikamenten Sorge. Diese Problemstellung ergibt sich durch internationale Märkte, spielt aber auch bei der Frage, wie sich die großen Pharmaunternehmen auf dem europäischen Markt betätigen, bzw. bei der Errichtung neuer Produktionsstätten in Europa, eine Rolle. Das muss durch eine vernünftige, finanziell unterlegte Anreizpolitik unterstützt werden, aber dazu liegen bislang noch keine überzeugenden Maßnahmen oder Instrumente vor. Auch dieses Thema müssen wir in dieser Legislaturperiode angehen.

Jenseits der Quantifizierung, welche Kostenpositionen immer weiter in die Zukunft wachsen, können wir es uns meines Erachtens auch nicht mehr leisten, all das, was zum Bestand gehört, vollkommen unangetastet zu lassen. Denn es gibt medizinische Entwicklungen, die möglicherweise die Bewertung des einen oder anderen Medikaments noch einmal notwendig machen. Um Leistungskürzungen bei einem gleichzeitig ständigen Anstieg der Arzneimittelkosten zu vermeiden, werden wir aus meiner Sicht nicht umhinkommen, den Gesamtmarkt der Arzneimittel auf seine Evidenz hin zu überprüfen.

Diejenigen Medikamente, die seit Einführung des AMNOG auf den Markt gekommen sind, erfüllen diese Voraussetzungen. Wir haben aber vor der Einführung des AMNOG noch eine ganze Reihe Medikamente, bei denen das nicht der Fall gewesen ist. Soweit sich Rahmen einer Analyse dann eine Kostenrelevanz in signifikantem Umfang ergibt, sollten wir darauf auch noch einmal einen prüfenden Blick werfen.

Es war absehbar, dass all diese Themen nicht in aller inhaltlichen Tiefe im Koalitionspapier wiederzufinden sind, sondern eher in Form allgemeiner Programmsätze. Klar ist aber auch, dass zu all diesen Punkten eine intensive Debatte geführt werden muss. Denn ansonsten werden wir angesichts der immer weiter steigenden Sozialversicherungsbeiträge eine sehr kritische gesamtwirtschaftliche Entwicklung erleben. Das kann weder im Interesse des wirtschaftlichen Wachstums noch im Interesse der Versicherten bzw. der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein.

Pharma-Agenda: Deutschland nach der Bundestagswahl

© Tobias Koch

Dr. Georg Kippels hat Rechtswissenschaften in Köln und Düsseldorf studiert und übernahm im Anschluss eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt in Bedburg. Seit 1980 ist Dr. Kippels Mitglied der CDU. Von 2000 bis 2020 war er Ortsbürgermeister in Bedburg-Mitte. Dem Deutschen Bundestag gehört er seit 2013 an und ist seit 2015 ordentliches Mitglied im Ausschuss für Gesundheit. In der 20. Wahlperiode des Deutschen Bundestages war er Obmann der CDU/CSU sowohl im Ausschuss für Gesundheit als auch im Unterausschuss für Globale Gesundheit. Zu Beginn der 21. Wahlperiode wurde er zum Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin für Gesundheit ernannt.
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