PAVK

Große Fortschritte der endovaskulären Therapie

Technische Weiterentwicklungen im Bereich der Kathetertechnik haben die Möglichkeiten der endovaskulären Therapie bei peripheren arteriellen Gefäßverschlüssen erheblich verbessert, wie Professor Thomas Zeller im Interview berichtet.

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Professor Thomas Zeller

Große Fortschritte der endovaskulären Therapie

© Professor Thomas Zeller

Aktuelle Position: Klinik für Kardiologie und Angiologie II; Chefarzt Abteilung Angiologie; FA für Innere Medizin, Angiologie, Kardiologie, Intensiv- und Notfallmedizin, Hypertensiologe DHL®

Forschungsschwerpunkte: Diagnostik und Therapie der Nierenarterienstenose, Optimierung der endovaskulären Therapiemethoden bei PAVK.

Ärzte Zeitung: Die kathetergestützte Therapie etabliert sich zunehmend auch in der Behandlung von Patienten mit PAVK. Bei welcher Art von peripheren Gefäßverengungen / -verschlüssen ist der Stellenwert dieser neuen Behandlungsform heute bereits gesichert?

Professor Thomas Zeller: Gemäß den aktuellen Leitlinien, zum Beispiel den überarbeiteten, noch nicht final publizierten TASC Leitlinien, gilt die endovaskuläre Therapie der AVK unabhängig von der Höhenlokalisation inzwischen als Therapie der ersten Wahl. Lediglich bei Versagen der endovaskulären Therapie oder zu komplexer Läsionsmorphologie wird die chirurgische Revaskularisation noch als Erstrevaskularisationseingriff empfohlen.

Insbesondere im Bereich der Beckenarterien sind die Akut- und Langzeitergebnisse der Stent- und Stentgraft-gestützten Revaskularisation so gut, dass mit Ausnahme einiger hochspezialisierter gefäßchirurgischer Zentren in diesem Gefäßgebiet fast ausschließlich zunächst ein endovaskulärer Therapieversuch unternommen wird.

Im Bereich der femoropoplitealen Strombahn haben sich durch technische Verbesserungen die Akutbehandlungsergebnisse bei komplexen langstreckigen Gefäßverschlüssen auf über 90 Prozent erhöhen lassen. In Verbindung mit neuen Kathetertechnologien lassen sich zwischenzeitlich auch bei komplexen femoropoplitealen Läsionen Offenheitsraten von über 70 Prozent nach zwei Jahren erzielen.

Im Bereich der Arteria poplitea, die bisher als sogenannte "No Stent- Zone" angesehen wurde, konnte in der auf dem diesjährigen TCT-Kongress präsentierten ETAP-Studie erstmals nachgewiesen werden, dass in diesem stark mechanisch belastetem Gefäßsegment Stents sicher und effektiv anwendbar sind.

Im Bereich der Unterschenkelarterien haben sich ebenfalls durch technische Verbesserungen des Kathetermaterials sowie neue Zugangstechniken - retrograd über die distalen Unterschenkelarterien - die akuten Behandlungserfolge verbessern lassen. Insbesondere im Unterschenkelbereich lassen sich durch Anwendung medikamentenbeschichteter Ballons und Stents sowie der Atherektomie die Offenheitsraten nach einem Jahr auf über 75 Prozent erhöhen.

Ärzte Zeitung: Es gibt die Möglichkeit des Stentings mit medikamentenbeschichteten (drug-eluting stents, DES) und unbeschichteten Stents sowie die Option des Drug-eluting-Ballons (DEB). Lassen sich diese endovaskulären Verfahren heute schon differenzialtherapeutisch einordnen?

Zeller: Im Bereich der Beckenarterien sind die Offenheitsraten unbeschichteter Stents bzw. von Stentgrafts langfristig so gut, dass hier keine medikamentenfreisetzenden endovaskulären Techniken als Primärtherapie eingesetzt werden müssen, allenfalls bei Rezidivstenosen.

Im Bereich der Femoropopliteal-Arterie hat sich ein Paclitaxel-freisetzender Stent der reinen Ballonangioplastie beziehungsweise der Platzierung eines unbeschichteten Stent gegenüber als signifikant überlegen erwiesen, siehe Zilver PTX-Studien.

Da die Behandlung von In-Stent-Restenosen relativ komplex ist, sollten meines Erachtens Läsionen, die für die Ballonangioplastie geeignet sind, primär mit einem medikamentenbeschichteten Ballon behandelt werden.

Komplexe Läsionen, etwa ulzerierte oder exzentrische partiell verkalkte Stenosen, sollten primär mit einem medikamentefreisetzenden Stent oder auch einem speziellen Nitinolstent, dem SUPERA-Stent behandelt werden. Trotz des Nachweises der sicheren Anwendung von Stents im Bereich der Arteria poplitea halte ich in diesem Gefäßsegment medikamentefreisetzende Ballons neben der Atherektomie für eine ideale Therapieform.

Im Unterschenkelbereich haben sowohl medikamentefreisetzende Stents als auch medikamentenbeschichtete Ballons in kleineren Studien ihre Überlegenheit gegenüber unbeschichteten Stents beziehungsweise der Ballonangioplastie nachgewiesen.

Ärzte Zeitung: Ist die interventionelle endovaskuläre Kathetertherapie nur den schweren Fällen vorbehalten oder kann sie auch schon in frühen Stadien der PAVK zum Einsatz kommen?

Zeller: Prinzipiell hängt eine Revaskularisationsindikation von den individuellen Beschwerden des Patienten ab. Da es sich im AVK-Stadium der Claudicatio um eine die Lebensqualität bessernde Behandlung handelt, gibt es durchaus auch Indikationen zur endovaskulären Revaskularisation in einem leichteren AVK-Stadium. Entscheidend hierbei ist die Expertise des Behandlers, das heißt dessen Komplikationsrate.

Dies betrifft auch Eingriffe im Bereich der Unterschenkelarterien, bei denen die Patienten nur in ihrer Gehstrecke eingeschränkt sind, jedoch noch keine kritische Extremitätenischämie aufweisen. Auch hier sollte meines Erachtens den Patienten eine Revaskularisation angeboten werden.

Im Bereich der Beckenarterien dürfte der Anteil der endovaskulären Revaskularisationsverfahren inzwischen bei deutlich über 90 Prozent liegen,. im Bereich der Femoral- und Unterschenkelarterien wahrscheinlich bei etwa 70 Prozent.

Anzumerken ist, dass, bedingt durch die Zunahme der endovaskulären Eingriffe, die Anzahl der gefäßchirurgischen Revaskularisation weltweit rückläufig ist, was mittelfristig auch ein Ausbildungsproblem für kommende Generationen von Gefäßchirurgen bedeutet, da in vielen kleineren gefäßchirurgischen Einrichtungen vor allem Bypass-Anlagen im Bereich der Unterschenkel- und Fußarterien nicht mehr in ausreichender Anzahl durchgeführt werden.

Ärzte Zeitung: Wo sehen Sie noch zu lösende Probleme oder Limitierungen der interventionellen Therapie und was bleibt an klaren Indikationen für die chirurgische Behandlung eigentlich noch übrig?

Zeller: Trotz deutlicher Verbesserung der Kathetertechnologien sind die Langzeitoffenheitsraten bis zu fünf Jahre noch optimierungsbedürftig. Kombinationen unterschiedlicher Verfahren haben das Potenzial, dieses Problem mittelfristig zu lösen.

Prinzipiell gilt es festzuhalten, dass es auch in Deutschland noch immer keine flächendeckende Expertise für hochkomplexe revaskularisierende Eingriffe gibt, sondern dass diese an einige Zentren mit hohen Behandlungszahlen gebunden ist - dies gilt sowohl für die endovaskuläre als auch chirurgische Therapie.

Deshalb sollte prinzipiell ein Patient mit einem komplexen Problem an solch eine Einrichtung überwiesen werden, unabhängig davon, ob es sich um ein Gefäßzentrum mit überwiegend endovaskulärer oder gefäßchirurgischer Expertise handelt.

Das Interview führte Peter Overbeck.

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