Forschung

Starke Schmerzmittel ohne schwere Nebenwirkungen

Forscher der Charité haben ein Wirkprinzip entdeckt, mit dem sich neuartige Analgetika entwickeln ließen.

Veröffentlicht:

BERLIN. Einen neuen Weg zur Entwicklung von Schmerzmedikamenten haben Forscher der Charité – Universitätsmedizin Berlin gefunden. Mit Computersimulationen hätten die Forscher Interaktionen an Opioidrezeptoren analysiert, den Andockstellen für Schmerzmedikamente, meldet die Charité.

Im Tiermodell habe der Prototyp eines morphinähnlichen Moleküls tatsächlich eine starke Schmerzstillung in entzündetem Gewebe ermöglicht. Gesundes Gewebe reagierte hingegen nicht auf den Wirkstoff. Schwerwiegende Nebenwirkungen, wie bislang bei Opioiden bekannt, könnten so vermieden werden, berichten die Forscher (Science 2017, online 3. März).

Häufige Nebenwirkungen von Opioiden können bekannterweise Benommenheit, Übelkeit, Verstopfung und Sucht, in einigen Fällen sogar Atemstillstand sein. "Wir sind davon ausgegangen, dass die Analyse der Interaktionen zwischen Wirkstoffen und Opioidrezeptoren in verletztem Gewebe, im Gegensatz zu gesundem Gewebe, zum Design von neuen Schmerzmitteln ohne schädliche Nebenwirkungen genutzt werden kann", wird Professor Christoph Stein, Direktor der Klinik für Anästhesiologie am Campus Benjamin Franklin, in der Mitteilung der Charité zitiert.

Mit einer Computersimulation analysierten die Forscher morphinähnliche Moleküle und deren Interaktion mit Opioidrezeptoren. Dabei identifizierten sie einen neuen Wirkmechanismus, der eine Schmerzstillung ausschließlich in entzündetem Gewebe, also dem erwünschten Zielort, erzielt.

Postoperativer Schmerz und chronischer Entzündungsschmerz ließe sich auf diese Weise ohne Nebenwirkungen behandeln und die Lebensqualität von Patienten entscheidend verbessern. "Im Gegensatz zu konventionellen Opioiden zeigt unser Prototyp NFEPP eine Bindung und Aktivierung von Opioidrezeptoren ausschließlich in saurem Milieu und hemmt somit Schmerz nur in verletztem Gewebe, ohne Atemdepression, Benommenheit, Suchtpotenzial oder Verstopfung hervorzurufen", werden Dr. Viola Spahn und Dr. Giovanna Del Vecchio, Erstautorinnen der Studie, zitiert.

Der Wirkstoff-Prototyp NFEPP ist von den Forschern entworfen, synthetisiert und experimentell getestet worden. Unter anderem in Computermodellen wurde eine erhöhte Protonenkonzentration, also eine Ansäuerung wie im Fall einer Entzündung, simuliert.

"Es hat sich gezeigt, dass die Protonierung von Wirkstoffen eine entscheidende Voraussetzung für die Aktivierung von Opioidrezeptoren ist", so die Autoren. Eine Erkenntnis, die auf andere Schmerzarten ebenso übertragen werden könnte. Anwendungen in weiteren Gebieten der Rezeptorforschung sind gleichfalls denkbar, sodass nicht nur Schmerzmittel, sondern auch andere Therapeutika wirksamer und verträglicher werden könnten. (eb/mmr)

Mehr zum Thema

Längere Wartezeiten, mehr Schmerzen

Armut als Risikofaktor für chronischen Opioidkonsum nach Hüft-Operation

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Arztgehälter

Angestellte Ärzte in Praxen verdienen besser auf dem Land

Ausweitung beschlossen

Liposuktion bei Lipödem wird GKV-Leistung in allen Stadien

Adipositas und kardiovaskuläre Erkrankungen

Wie Ärzte klinische Komplikationen bei HIV in den Griff bekommen

Lesetipps
Mit der elektronische Patientenakte laufen die Arbeitsabläufe in der Praxis effizienter ab, weiß Diabetologin Karina Pate. (Symbolbild)

© picture alliance / ZB | Patrick Pleul

ePA-Einsatz in der Diabetesversorgung

Welchen Mehrwert eine diabetologische Schwerpunktpraxis in der ePA sieht

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung