IM GESPRÄCH

Zwiespältige Bilanz nach der größten Katastrophenübung vor der Fußball-WM

Von Thomas Kunze Veröffentlicht:

Mit der größten Katastrophenschutzübung in der Geschichte Berlins hat das Land am Wochenende seine Einsatzbereitschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft getestet. Etwa 2000 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr, Technischem Hilfswerk und anderen Hilfsorganisationen waren im Einsatz. Unter Leitung der Feuerwehr wurden drei Katastrophen zeitgleich an verschiedenen Orten durchgespielt.

Das Besondere an dem Test: Auch Krankenhauspersonal probte den Ernstfall. Etwa 400 "Verletzte" mußten auf die Berliner Kliniken verteilt werden. Vertreter der FIFA und etwa 200 Sicherheitsexperten aus ganz Europa beobachteten den Ablauf. Eine ähnliche Übung wurde zeitgleich am WM-Spielort Kaiserslautern absolviert.

In Berlin und Kaiserslautern kam es zu Verzögerungen

Der Berliner Landesbranddirektor Albrecht Broemme zog eine zwiespältige Bilanz: Zwei der Einsätze - nach dem "Einsturz einer Großbildleinwand" in Mariendorf und einer "Explosion" in Karlshorst - wurden gut bewältigt, der dritte jedoch mußte erfolglos abgebrochen werden. Die Helfer hatten nach einem simulierten Unfall mit Chemikalien an einem S-Bahnhof viel zu lange gebraucht, um die Verletzten zu versorgen. Sie trafen erst nach 75 Minuten ein. Für die meisten der Betroffenen wäre die Hilfe wohl zu spät gekommen.

Verzögerungen und Probleme gab es auch in Kaiserslautern. Bei der Versorgung der "Verletzten" sei es teilweise zu Stockungen gekommen, räumte der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstbereiches Kaiserslautern, Thomas Luiz, ein. Auch die Verständigung der Einsatzkräfte per Funk hätte besser funktionieren können, so Kaiserslauterns Oberbürgermeister Bernard Deubig.

Trotzdem zeigte er sich zufrieden: "Wir sind fit für die WM." Man habe wichtige Erkenntnisse gewonnen, die man nun in die Planung einarbeiten werde. Simuliert wurde unter anderem ein Zugunglück am Hauptbahnhof Kaiserslautern mit etwa 150 Verletzten.

200 Verletzte und 20 Tote unter einer eingestürzten Videowand

In Berlin braucht es nur wenig Phantasie, um sich die von Soldaten und Freiwilligen gespielten Horrorszenen als real vorzustellen: Im Fußballstadion startet der Einsatz um 11.30 Uhr. Eine Großbildleinwand ist auf Fans gestürzt, an die 200 Verletzte und 20 Tote sind unter dem tonnenschweren Gerüst begraben.

Verletzte schreien um Hilfe, geschockte Menschen irren in Panik über den Platz. Der Einsturz einer Videowand hatte sich tatsächlich 1990 bei der Silvesterfeier am Brandenburger Tor ereignet. Während der WM sollen mehrere Videowände in der Hauptstadt aufgebaut werden.

Um 11.47 Uhr treffen aus den umliegenden Wachen die ersten Feuerwehrleute ein - das sei vertretbar, so Landesbranddirektor Broemme. Von Polizisten und anderen Hilfskräften unterstützt, bergen und versorgen die Feuerwehrleute die zum Teil martialisch geschminkten Verletzten. Sie werden wegen der Kälte in Isolierdecken gehüllt. Dutzende Rettungs- und Notarztwagen sind schnell vor Ort. Nach einer knappen Stunde sind fast alle von der Unglücksstelle geborgen, ein großes Behandlungszelt ist aufgebaut.

Die Behörden hatten der Übung wegen der Gleichzeitigkeit an drei Schauplätzen den Codenamen "Triangel" gegeben. In Karlshorst mußten sich die Helfer um die möglichen Folgen einer Explosion kümmern, die auf einem Firmengelände zu einem Großbrand führte. In Wedding wurde simuliert, wie ein Baustellenunfall auf Bahngelände giftige Gase freisetzt. Dabei wußten die Helfer vorher nicht, an welcher Stelle sie zum Einsatz kommen. Die Aktionen wurden zusätzlich durch dichtes Schneetreiben behindert.

"Wir brauchen den April zur Auswertung und den Mai für Änderungen am Konzept, um am 9. Juni bereit zu sein", sagte Broemme. Am Samstag waren etwa 840 Feuerwehrleute in Berlin im Einsatz; so viele werden es auch an den WM-Tagen sein. Kurzfristig kann ihre Zahl auf 1100 erhöht werden, etwa durch Kollegen aus Brandenburg. An normalen Tagen tun in Berlin 570 Feuerwehrleute Dienst. Während der gesamten WM ist bei den Sicherheitsbehörden Urlaubssperre. (dpa)

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