Pflegehilfe

Ein Markt in einer Grauzone

Der Markt wächst, wird aber politisch ausgeblendet. Die Betreuung alter Menschen durch osteuropäische Kräfte ist eine juristische Grauzone.

Veröffentlicht:

Etwa jeder zehnte Pflegehaushalt in Deutschland – das sind rund 200.000 – beschäftigt nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung eine meist aus Osteuropa stammende Hilfskraft.

Weitere Informationen über den Betreuungsmarkt hat das German-Polish Centre for Public Law and Environmental Network der Universitäten Cottbus und Breslau in einem 2018 publizierten Faktenbuch auf der Basis von Umfragen bei Dienstleistern zusammengestellt.

Das Ergebnis ist ernüchternd: „Eine wissenschaftliche Studie im klassischen Sinn können wir nicht vorlegen, da ein nennenswerter Anteil der Anbieter Auskünfte verweigert oder sogar strikt zurückgewiesen oder einzelne Fragen nicht oder nur unvollständig beantwortet hat“, resümiert Studienleiter Professor Lothar Knopp.

Wachsender Bedarf

Der Bedarf an Betreuung wächst: Viele pflegebedürftige Menschen wollen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und scheuen das Pflegeheim. Bei wachsendem Pflege- und Betreuungsbedarf sind die Angehörigen häufig überfordert.

Die Inanspruchnahme eines professionellen Pflegedienstes für eine 24-Stunden-Betreuung scheidet als Option fast immer aus: entweder weil die Pflegedienste dafür keine Kapazitäten oder die Kosten mit 15.000 bis 20.000 Euro monatlich zu hoch sind. In dieser Situation ist die Beschaffung einer Betreuungskraft aus einem osteuropäischen Land eine Option.

Ein großes Problem für die Kunden ist aus der Sicht der Studienautoren die Vertragsgestaltung: In vielen Fällen werden pflegebedürftige Menschen oder deren Angehörige zu Arbeitgebern, ohne dies zu wissen und ohne die rechtlichen Bedingungen zu erfüllen: Beachtung des Arbeitsrechts, Sozialversicherungspflicht und Lohnsteuerpflicht.

Die Marktmodelle, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt, bewegen sich oft in einer Grauzone und sind für Kunden oft intransparent. Eine qualifizierte Rechtsberatung ist sinnvoll. Pflegestützpunkte, Serviceeinrichtungen der Kommunen oder andere Beratungsangebote seien damit fachlich meist überfordert.

Die Qualität changiert

Die Qualität der Betreuungsanbieter changiert. Viele kleine Anbieter seien an Transparenz nicht interessiert. Große, bundesweit agierende Dienstleister seien „mehrheitlich“ auf Qualität, Transparenz und Rechtssicherheit bedacht. Es sei allerdings schwierig, angesichts vieler Online-Angebote seriöse und rechtssichere Anbieter zu identifizieren.

Die Kosten einer 24-Stunden-Betreuung durch eine osteuropäische Betreuungskraft liegen nach der Studie deutlich über 2000 Euro monatlich und variieren beträchtlich. Hinzu kommen die Kosten für Verpflegung und Logis, teilweise auch Reisekosten sowie Vermittlungsgebühren.

Befürchtet wird die Zunahme von illegalen Beschäftigungsverhältnissen, zum Teil auf Minijob-Basis oder durch Begründung von Scheinselbständigkeiten. Für dringend nötig hält Knopp die Schaffung eines Rechtsrahmens für diesen grauen Markt. Bislang schaue die Politik aber konsequent weg, kritisiert der Jurist. (HL)

Arbeitsbedingungen für Betreuungskräfte

Grundsätzlich gilt: Die für Promedica24 arbeitenden Betreuungskräfte stehen in keiner vertraglichen Beziehung zu der betreuten Person oder ihrer Familie. Damit existiert kein Risiko der Kunden für Arbeitgeberpflichten in Deutschland.

  • Die Vertragsbedingungen von Promedica24 für die Betreuungskräfte sehen neben dem Gehalt auch Renten-, Kranken-, Unfall, Haftpflicht- und Reiseversicherung vor. Die Krankenversicherung gilt auch für Familienangehörige.
  • Die Verdienstmöglichkeiten differieren nach Sprachkenntnissen, Erfahrung, Qualifikation und Flexibilität. Sie variieren zwischen 800 Euro und 1250 Euro (für eine „Goldkraft“) monatlich netto. Zum Vergleich: Der durchschnittliche polnische Bruttolohn liegt bei 4500 Zloty, das sind etwa 1050 Euro. Der Mindestlohn liegt bei 2000 Zloty (knapp 500 Euro), eine Krankenschwester verdient im Schnitt 2700 Zloty brutto.
  • Saisonal werden Boni gezahlt, im vergangenen Jahr für einen Einsatz in der Weihnachtszeit 600 Euro zusätzlich für 63 Tage mit drei Weihnachtsfeiertagen.
  • Die anhaltende Aufwärtsentwicklung der polnischen Wirtschaft hat zu einer besseren Entlohnung und zu mehr attraktiven Beschäftigungsmöglichkeiten im Land selbst geführt. Daher akquiriert Promedica24 auch Betreuungskräfte in den wesentlich ärmeren Ländern Rumänien und Bulgarien. (HL)

Lesen Sie dazu auch: Pflege: Wie funktioniert das mit der Betreuung aus Polen?

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

10 Fragen, 10 Antworten

Ausgeschlafen trotz Schichtdienst: Wie das klappen kann

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Sie fragen – Experten antworten

Sollte bei Brustkrebs gegen COVID-19 geimpft werden?

Müdigkeit, Schwäche, erhöhtes TSH

Fehldiagnose Hypothyreose bringt Frau in Lebensgefahr

Digitale Gesundheitsanwendungen

Regulierungen machen es den DiGA schwer

Lesetipps
Eine ältere Frau hält sich die Hand an den Kopf.

© pictworks / stock.adobe.com

Kopfschmerzen

Migräne: Welche Therapie bei älteren Patienten möglich ist