Mit dem Tode bedroht

Schwule Stammesmänner – Film thematisiert Tabu

Südafrika geht mit einem umstrittenen Film ins Rennen um den Auslands-Oscar. "Inxeba" stellt Männlichkeitsbilder und Traditionen in Frage. Darsteller werden mit dem Tode bedroht.

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JOHANNESBURG. Eine schwule Love-Story vor dem Hintergrund eines uralten Initiationsritus des Xhosa-Volkes: Der international gefeierte südafrikanische Film "Inxeba" (dt.: Die Wunde) schlägt in seiner Heimat Wellen. Er ist dieses Jahr der südafrikanische Kandidat für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film und geht damit gegen "Aus dem Nichts" ins Rennen – den deutschen Beitrag von Regisseur Fatih Akin. Am Dienstag werden die endgültigen Nominierungen bekanntgegeben.

"Inxeba" beschreibt den Initiationsritus "ulwaluko", bei dem junge Xhosa-Männer zwei Wochen in den Busch ziehen, wo sie ohne Betäubung beschnitten werden. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich die Geschichte um den Fabrikarbeiter Xolani, der Initiierte betreut und entdeckt, dass einer von ihnen schwul ist. Der Streifen über sexuelle Identität und Männlichkeit in einer traditionellen Gesellschaft gewann bereits mehrere Filmpreise im Ausland. In Südafrika, wo Homosexualität zwar erlaubt, aber häufig nicht akzeptiert ist, waren die Reaktionen gemischt.

Der König ist beleidigt

Nakhane Touré, der offen schwul lebende Hauptdarsteller, erhielt Morddrohungen. Es gab auch Forderungen nach einem Verbot des Films, und der traditionelle König des Xhosa-Volkes nannte den Film "beleidigend".

Drehbuch-Mitautor Malusi Bengu sagte, er habe zwar mit negativen Reaktionen gerechnet, das Ausmaß der Feindseligkeit habe ihn dennoch überrascht.

Der Film breche viele Tabus - es gehe um ein heiliges und geheimes Ritual, dazu kämen Homosexualität und ein weißer Regisseur. "Das Land wird dich da bei lebendigem Leib auffressen." Es sei eine Macho-Gesellschaft, sagt Bengu, der selbst Xhosa ist. Manche Schwarze seien der Meinung, Homosexualität sei "unafrikanisch", etwas, das weiße Siedler mit sich gebracht hätten. Regisseur John Trengove sagt, es sei höchste Zeit, dass ein afrikanischer Film homosexuelle Themen anspreche.

Belastung für schwule Männer

Südafrikas berühmtester Xhosa, der Anti-Apartheidkämpfer und spätere Präsident Nelson Mandela, hatte seine Initiationszeremonie in seiner Autobiografie positiv beschrieben. Wissenschaftler sind aber der Ansicht, dass das Ritual für schwule Männer belastend sein kann. So gebe es dabei die "Annahme, dass Homosexuelle sich nun zur Heterosexualität "bekehrt" hätten", heißt es in einem Forschungsbericht der südafrikanischen Universität von Fort Hare. Wenn sie nicht den traditionellen Erwartungen von Männlichkeit entsprechen, werden sie ausgeschlossen.

Für Hauptdarsteller Nakhane Touré war die Arbeit an dem Streifen – seinem Filmdebüt – eine Herausforderung, wie er in einem auf der Film-Homepage veröffentlichten Video erklärt. "Ich hatte wirklich Angst davor, mich vor völlig Fremden so zu öffnen", sagt der 29-Jährige. Es gehe um "eine homoerotische Beziehung in einem Raum, der ziemlich hyper-maskulin ist". Trotz seiner Ängste habe er auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen, um Xolani darzustellen, erklärt Touré. Er hoffe, dass der Film jungen schwulen Männern helfen könne: "Ich glaube, Leute die ihn sehen, fühlen sich vielleicht weniger allein."

Während in vielen Ländern Afrikas Aktivisten gegen weibliche Genitalverstümmelung kämpfen, wird die Beschneidung männlicher Teenager in Südafrika kaum hinterfragt. Sie gilt trotz mehrerer Todesfälle jedes Jahr als wichtiger Schritt zum Mannsein. Todesursachen sind entweder verpatzte Beschneidungen, unabsichtliche Amputationen, Infektionen oder Dehydrierung. Während Experten zufolge früher Beschneidungen durch erfahrene Stammesälteste durchgeführt wurden, wollen heute oft Quacksalber damit Geld verdienen.

Die Regierung fördert sichere Beschneidungen im Krankenhaus sogar als zusätzlichen Schutz gegen das HI-Virus. Gcobani Qambela, der über Xhosa-Männlichkeitsbilder forscht, ist gegen ein Verbot der traditionellen Inititation. Es solle gemeinsam eine Lösung gefunden werden, die die kulturellen Bedürfnisse erfülle, aber Todesfälle verhindere, sagt er. (dpa)

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