Zwangsbehandlung

DGPPN sieht etliche Lücken

Lob für die BÄK-Ethikkommission, aber auch der Hinweis, auf zwei noch dringlich zu lösende Fragen, kommt nun von den Fachärzten. Kritik hagelt es dabei vor allem an der zu engen Personaldecke in psychiatrischen Kliniken und am Psych-Entgeltgesetz.

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NEU-ISENBURG. Wann dürfen Ärzte eine Zwangsbehandlung anordnen? Die von der Bundesärztekammer eingesetzte Zentrale Ethikkommission (ZEKO) hat dazu kürzlich eine Stellungnahme abgegeben. Und hat den Zwangsbehandlungen von psychisch erkrankten Menschen damit äußerst enge Grenzen gesetzt.

Positives Feedback kommt nun von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Aber: Die DGPPN sieht noch weiteren Handlungsbedarf. Dabei kritisiert sie vor allem das Psych-Entgeltgesetz.

Einen Grund für die Zunahme von Zwangsbehandlungen sehe die ZEKO in "strukturellen Problemen" in der Krankenhausbehandlung, heißt es in einer Mitteilung der DGPPN.

Die Ethikkommission fordere, Behandlungsalternativen zur Zwangsbehandlung zu entwickeln. Eine Forderung, die die Gesellschaft unterstützt.

Personelle Mindestausstattung wird nicht erfüllt

Der Knackpunkt laut DGPPN ist aber: "Nur mit zeitintensiven Gesprächen, Vertrauen und dem Aufbau und Aufrechterhalten einer therapeutischen Beziehung lassen sich vermeidbare Zwangsbehandlungen vorbeugen."

Dazu brauche der einzelne Arzt aber vor allem Zeit mit dem Patienten, "oftmals sogar sehr viel Zeit". So verwundere es nicht, erklärt die DGPPN, dass der beklagte Anstieg von Zwangsmaßnahmen in den letzten Jahren mit dem Abschmelzen von Personalressourcen in psychiatrischen Kliniken einherging.

"Die Personalverordnung Psychiatrie, die seit 20 Jahren eine personelle Mindestausstattung in den Kliniken vorgibt, ist heute an vielen Orten nämlich bei weitem nicht mehr erfüllt", heißt es.

Die Personalressourcen in psychiatrischen Kliniken seien längst als Wirtschaftlichkeitsreserve entdeckt und genutzt worden.

Verschärft Psych-Entgeltgesetz die Situation?

Mit dem 2012 in Kraft getretenen Psych-Entgeltgesetz und dem derzeit entwickelten pauschalierten Entgelt-Katalog (PEPP) werde sich die Situation in Zukunft voraussichtlich noch verschärfen, so die Gesellschaft.

"PEPP sieht nämlich die Finanzierung von Vorhaltekosten nicht mehr vor, die finanzielle Absicherung der gebotenen Strukturqualität findet nicht mehr statt."

Was PEPP in der Tat bringen soll: Aus tagesgleichen Pflegesätzen für Kliniken werden leistungsorientierte Tagessätze für Krankheitsgruppen. Dabei werden abhängig vom Schweregrad der Erkrankung und von der Diagnose tagesgleiche Pauschalen definiert.

Die DGPPN sieht aber in noch einem Punkt Handlungsbedarf: Es geht um Zwangsmaßnahmen bei psychisch erkrankten Menschen, die krankheitsbedingt andere schädigen, verletzen oder bedrohen könnten.

Problemfall Fremdgefährdung

Die Ethikkommission schließe auch hier eine Zwangsbehandlung gegen den Patientenwillen bei fehlender Einwilligungsfähigkeit aus ethischen Gründen aus. "Gleichzeitig schließt die ZEKO aber nicht aus, Patienten zwangsweise in psychiatrischen Kliniken unterzubringen, um Fremdgefährdung aufgrund von psychischen Erkrankungen abzuwenden", berichtet die DGPPN.

Damit würden Kliniken mit kaum lösbaren Problemen konfrontiert. Denn Patienten und Mitarbeitende könnten in Gefahr geraten, wenn die Möglichkeit einer Patientenbehandlung bei Fremdgefährdung nicht bestehe, warnt die Gesellschaft.

Hier bestehe der Bedarf nach einer gesellschaftlichen Diskussion und nach Bereitstellung von personellen und strukturellen Voraussetzungen, um Alternativen zur Zwangsbehandlung schaffen zu können. (eb)

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