Der Standpunkt

Hobbypraxen unerwünscht

Die Diskussion um die Hobbypraxen zeigt auch: Der Versorgungsumfang ist ein Buch mit sieben Siegeln. Der Pauschalverdacht, alle Praxen, die weniger Scheine abrechnen, verstießen gegen die Zulassungsvoraussetzungen, ist fehl am Platze. Da muss man schon genauer hinsehen, meint Anno Fricke.

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Der Autor ist Korrespondent im Hauptstadtbüro der Ärzte Zeitung. Schreiben Sie ihm: anno.fricke@springer.com

Die Anfrage der Grünen-Politikerin Biggi Bender, ob und wie viele Ärzte ihren Beruf in einer "Hobbypraxis" ausüben, ist verdienstvoll. Aus der Antwort der Regierung und den von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung beigesteuerten Daten lässt sich klar herauslesen: Es muss Ärzte geben, die eine Kassenzulassung haben, ihre Praxen aber weniger als die geforderten 20 Wochenstunden für die GKV-Versicherten offen halten.

Die Antwort macht aber auch deutlich, dass der Versorgungsumfang ein Buch mit sieben Siegeln ist. Die für die Zulassungen zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen erheben dazu keine systematischen Informationen. Alle Beteiligten stochern im Nebel.

Der Pauschalverdacht, alle Praxen, die weniger als die durchschnittliche Fallzahl ihrer Bedarfsplanungsgruppe abrechnen, verstießen gegen die Zulassungsvoraussetzungen, ist fehl am Platze. Eine Praxis, die wenige Scheine abrechnet, behandelt vielleicht mit hohem Zeitaufwand schwerstkranke Patienten.

Schon die Therapieausrichtung einer Praxis kann dazu führen, dass weniger Fälle behandelt werden. Operierende Augenärzte sind dafür ein Beispiel. Regionale Besonderheiten können eine Rolle spielen. Die Knappschaftsärzte rechnen an den KVen vorbei direkt mit der Knappschaft ab. Diese Scheine fallen in der KBV-Statistik unter den Tisch.

Für diejenigen Ärzte, die tatsächlich ihren Versorgungsauftrag vernachlässigen und mit einer vollen Zulassung bewusst geringe Scheinzahlen produzieren, kommen die Einschläge näher. Die Bundesregierung will die Bedarfsplanung neu regeln.

Dafür lässt sie derzeit von der Selbstverwaltung eine neue Bedarfsplanungs-Richtlinie ausarbeiten. Die soll den Zulassungsausschüssen Instrumente an die Hand geben, den Versorgungsbeitrag auffälliger Vertragsärzte nach einheitlichen Kriterien rechtssicher zu bewerten.

Das ist im Interesse der überwiegend für die kassenärztliche Versorgung arbeitenden Ärzte. Denn das Verhalten der schwarzen Schafe in der Versorgung drückt auf die Fallzahlen und damit die Höhe der Honorare.

Lesen Sie dazu auch: Hobbypraxen sorgen für Zwist

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 21.04.201218:10 Uhr

Vogel-Strauß-Politik?

Jetzt rächt sich das weitgehende Fehlen von Versorgungsforschung in Deutschland. Denn nur diese könnte erhellen, wie Quantität, Logistik, Prozess- und Ergebnisqualität in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung unserer GKV-versicherten Patientinnen und Patienten beschaffen sind.

Stattdessen tappen die regionalen, für Vertragsarzt-Zulassungen und den Sicherstellungsauftrag zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam mit der KBV im Dunkeln. Sie können nicht einmal das Ausmaß von hobbymäßigen, nebenberuflichen, durchschnittlich arbeitenden bzw. überdurchschnittlich tätigen Praxen beziffern. Man kann nicht einmal erahnen, wo medizinische Versorgungsmängel oder -überfluss, wo Pflegenotstand oder Ärztemangel sozial, inhaltlich und regional begründet bestehen. Prioritäre Gesundheits-, Versorgungs- und Pflegeziele können weder formuliert noch umgesetzt werden.

So können bei niedriger GKV-Fallzahl und hohem Privatpatientenanteil der zeitliche Aufwand und die medizinische Qualität für jeden einzelnen Kassenpatienten theoretisch hoch sein. Genauso könnten extrem viele GKV-Behandlungsfälle pro einzelnen Vertragsarzt ein Indiz für zu schnelle Abfertigung oder Ringüberweisungen sein. Oder große Behandlungszahlen entstehen in sozialen Brennpunkten, weniger attraktiven dichtbesiedelten Ballungszentren bzw. im ländlichen Raum, weil sich keine weiteren Vertragsärzte niederlassen wollen.

Generalverdacht und Diskriminierung von Ärzten hilft nicht weiter. Aber ein derart improvisiertes, empirisch ungeprüftes und labiles System ist für eine gesicherte ambulante ärztliche Versorgung von 69,9 Millionen GKV-Versicherten, das sind 85,4 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland, unprofessionell, indiskutabel und inadäquat. Eine staatlich reglementierte Bedarfsplanung wird kommen, da mögen manche Beteiligte ihren Kopf noch so tief in den Sand stecken.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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