Junge Hausärzte im Osten verzweifelt gesucht

Bis zu 30 Prozent der Hausärzte im Osten der Republik gehen in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Schon heute sind hunderte Hausarztsitze unbesetzt.

Von Bülent Erdogan Veröffentlicht:
Junge Ärzte in Klinik: Immer weniger Mediziner entscheiden sich für eine Tätigkeit als Landarzt.

Junge Ärzte in Klinik: Immer weniger Mediziner entscheiden sich für eine Tätigkeit als Landarzt.

© Foto: Photodisc

18 Jahre nach der Deutschen Einheit ringt der Osten der Republik verzweifelt um den hausärztlichen Nachwuchs. Allein in Brandenburg sind derzeit 170 Hausarztsitze unbesetzt, in Thüringen 117, in Mecklenburg-Vorpommern 115. Und eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht.

Im Gegenteil: die Zahl der Ärzte, die in den kommenden Jahren aus der Versorgung ausscheidet, dürfte weiter steigen. So werden allein in Brandenburg von den knapp 1600 Allgemeinmedizinern mehr als 400 ihre Tätigkeit aus Altersgründen beenden. Die Zahl der Hausärzte in Thüringen, die älter als 60 Jahre sind, liegt ebenfalls bei rund 30 Prozent.

"Wir stehen vor einem Zusammenbruch der hausärztlichen Versorgung", warnt vor diesem Hintergrund die KV-Vorsitzende Thüringens, Regina Feldmann. Ein Grund für die Misere sind aus ihrer Sicht die unterschiedlich hohen Honorare in Ost und West. Die kürzlich beschlossene Erhöhung der Osthonorare ist für sie nur ein erster Schritt, die neuen Bundesländer attraktiver zu machen. Sie fordert eine hundertprozentige Angleichung der Honorare und darüber hinaus einen Zuschlag für Hausärzte, die sich im Osten als Landarzt niederlassen wollen. Zehn Prozent mehr für Ärzte, die in die Provinz gehen: So könnte zumindest ein Teil des Hausarztmangels behoben werden, hofft Feldmann.

Auch der Chef der KV Sachsen-Anhalt, Dr. Burkhard John, blickt mit Sorge vor allem auf die ländlichen Regionen seines Landes. Dort arbeiten die noch verbliebenen Allgemeinmediziner oft am Limit. Gehe ein Arzt in den Ruhestand oder wandere ab, sei der zusätzliche Arbeitsaufwand für die anderen oft nicht mehr zu bewältigen, urteilt John.

Erschwert wird die Situation für die Hausärzte John zufolge noch durch die sich verändernden Bedürfnisse der Patienten. Immer mehr Alte bedeuten auch immer mehr chronische Krankheiten: So betrage der Anteil der von den Ärzten zu behandelnden multimorbiden und chronisch kranken Patienten inzwischen 60 Prozent, sagt er. Neben einer im Vergleich zu den Westkollegen um 20 bis 30 Prozent höheren Fallzahl heißt das für die Mediziner: Sie müssen sich auf viel komplexere Krankheitsbilder ihrer Patienten einstellen.

Eine große Entlastung durch junge Ärzte erwartet John nicht. Jährlich schließen maximal 30 Mediziner im Land ihre Weiterbildung zum Allgemeinarzt ab, sagt er. Nur ein Teil von ihnen findet schließlich den Weg in die sachsen-anhaltinische Provinz.

Um angesichts des anhaltenden Ärztemangels zumindest eine Basisversorgung aufrecht zu erhalten, plant die KV Sachsen-Anhalt deshalb jetzt den Aufbau so genannter Filialpraxen in den ländlich geprägten Regionen des Landes. In den Praxen sollen neben Hausärzten auch Fachärzte tageweise die Versorgung der Bevölkerung übernehmen. Schon im kommenden Jahr oder 2010 könnten die ersten Einrichtungen ihren Dienst aufnehmen.

Eine spürbare Entlastung der Mediziner erhofft sich John durch eine größere Rolle der Arzthelferinnen in der Versorgung.

Lesen Sie dazu auch: Kassenärzte warnen vor Hausarzt-Notstand im Osten

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