Kabinett beschließt Reformgesetz

Lauterbach: Klinikreform rettet zehntausende Menschenleben

Gesundheitsminister Lauterbach hat die vom Bundeskabinett beschlossene Klinikreform verteidigt. Kritik an den Plänen kommt vom Marburger Bund. Und in den Ländern wird über den Gang zum Vermittlungsausschuss spekuliert.

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Will mehr Spezialisierung der Kliniken: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Mittwoch vor der Bundespressekonferenz.

Will mehr Spezialisierung der Kliniken: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Mittwoch vor der Bundespressekonferenz.

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Mehrere 10.000 Menschen im Jahr könnten überleben, wenn die stationäre Versorgung in Deutschland stärker spezialisiert wäre. Mit dieser These hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Klinikreform verteidigt, die das Bundeskabinett am Vormittag beschlossen und ins parlamentarische Verfahren weitergereicht hat. Lauterbach verwies dazu auf Studien zum Thema.

Wörtlich sagte er am Mittwoch vor der Bundespressekonferenz: „Wenn wir mehr spezialisieren würden, würden mehrere 10.000 Menschen pro Jahr zusätzlich überleben können, wenn ihre Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Krebskrankheiten in denjenigen Häusern behandelt würden, die dafür besonders geeignet sind.“

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Lauterbach: Jedes dritte Klinikbett steht leer

1700 Krankenhäuser seien zu viel, erklärte Lauterbach. „Man muss klar sagen: Deutschland hat nicht den medizinischen Bedarf, nicht das ärztliche Personal und nicht die Pflegekräfte für diese Anzahl Krankenhäuser.“ Jedes dritte Krankenhausbett stehe derzeit leer.

Leistungsgruppen bildeten künftig die Qualität an den Krankenhäusern ab. Nur dasjenige Krankenhaus, das ausreichend Erfahrung mit einer Behandlung habe, dürfe diese künftig noch ausführen, umriss Lauterbach seinen Gesetzesplan.

Mit der Finanzierung der Krankenhäuser über Vorhaltepauschalen werde zudem die Notwendigkeit entfallen, jeden einzelnen Fall auch tatsächlich zu übernehmen. Wenn somit weniger operiert und behandelt werde, müssten weniger Fälle daraufhin untersucht werden, ob die Behandlung notwendig war oder nicht. Mithin gebe es weniger Bürokratie.

Jahrelanger Umbauprozess

Die Ministerrunde um Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Vormittag die Reform abgenickt. Damit soll ein mehr als zehn Jahre andauernder Umbauprozess in der Kliniklandschaft angestoßen werden.

Im bereits beschlossenen Krankenhaus-Transparenzgesetz ist ein Teil der Finanzierung bereits geregelt. Bis 2036 stehen dafür insgesamt 50 Milliarden Euro zur Verfügung, die je zur Hälfte die Bundesländer und die gesetzlich Versicherten bezahlen sollen.

Lauterbach betonte, dass die Länder die „Hoheit über die Sicherstellung“ der stationären Versorgung behielten. Ihr Steuerungsinstrument soll die Zuteilung der Leistungsgruppen sein, sprich: die Verteilung der Abteilungen auf die verbleibenden Krankenhäuser. Dafür standen die Vorarbeiten für die Krankenhausreform in Nordrhein-Westfalen Pate.

Die neuen ambulant-stationären Versorgungseinrichtungen – Level 1i – würden von den Ländern begrüßt, sagte Lauterbach. Dort könne entgegen vieler Äußerungen von Kritikerseite auch operiert werden, unterstrich der Minister.

Diese Häuser sollten internistische und chirurgische Abteilungen unterhalten können. Knochenbrüche und Blinddarm könnten somit dort behandelt werden – die große Darmkrebsoperation sei aber nicht mehr vorgesehen an diesen Häusern.

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Abschluss in dieser Legislatur

Die medizinisch-wissenschaftliche Weiterentwicklung der Versorgung durch zusätzlich benötigte Leistungsgruppen und die Qualitätsvorgaben dafür würden im kommenden Frühjahr durch eine gemeinsam mit den Ländern zu beschließende Rechtsverordnung zustimmungspflichtige Rechtsverordnung geregelt, kündigte Lauterbach an.

Gleiches gelte für eine Beteiligung der Länder an der Feinjustierung des 50 Milliarden Euro schweren Transformationsfonds. Anträge auf Ausschüttung dieser Mittel würden die Länder bewilligen. Er rechne bei den beiden Rechtsverordnungen nicht mit Widerständen in den Ländern. Die Reform mit allen ihren Komponenten solle vor Ende der Legislaturperiode beschlossen werden.

Die Gesetzgebung zur Reform werde somit in der laufenden Legislatur begonnen und auch abgeschlossen sein, „sodass die Reform in der nächsten Legislaturperiode für mich keine weitere Beschäftigung vorsieht“, sagte Lauterbach.

Johna: Mehr statt weniger Bürokratie

Die Vorsitzende des Marburger Bundes Dr. Susanne Johna wies auf Schwächen des Reformansatzes hin. Vorhaltefinanzierung und Fallpauschalen würden zusammen mehr bürokratische Vorgaben schaffen als das bisherige Finanzierungssystem, warnte Johna. Ein „drastischer Abbau“ von Kapazitäten führe zudem zwangsläufig zu Engpässen in der Aus- und Weiterbildung von Ärzten.

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sprach von einer verpassten Chance für eine nachhaltige und solide Krankenhausreform. Die Leidtragenden würden die Patientinnen und Patienten sein.

Bayern und Baden-Württemberg haben bereits angedeutet, den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag anrufen zu wollen. Eine zentrale Forderung der Länder sind Ausnahmeregelungen zum Beispiel für standortübergreifende Leistungsgruppen. Zudem beharrt ein Teil der Länder auf der Zustimmungspflicht für das Gesetz. (af)

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