Lehre aus der Pandemie

Medizinethiker Maio: Corona hat „Mythos der Kontrollierbarkeit“ entlarvt

Verletzlichkeit werde häufig nur als Bedrohung betrachtet, sagt Medizinethiker Giovanni Maio. Er appelliert, ebenso ihre Chancen zu sehen. Das aber erfordert auch ein Umdenken in der Medizin.

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Bonn. Menschen können nach Worten des Mediziners und Philosophen Giovanni Maio jederzeit in eine Situation „radikaler Angewiesenheit“ kommen. Die Corona-Pandemie habe dies gezeigt, sagte Maio am Samstag beim Fachtag „Mitgefühlsbasierte Psychotherapie“ des Gezeiten Hauses in Wesseling bei Bonn: „Der Mythos der Kontrollierbarkeit hat sich als Irrtum erwiesen.“

Während der Corona-Zeit sei das Unplanbare zur Normalität geworden und habe den Menschen mit seiner Endlichkeit konfrontiert, erklärte der Direktor des Freiburger Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin. Die Pandemie sei insofern ein „Stolperstein“ gewesen, als die Gesellschaft darauf nicht vorbereitet gewesen sei.

Dies hätten viele Reaktionen gezeigt, sagte Maio: So sei die Verletzlichkeit bestimmten Personengruppen zugeschrieben worden. „Das ist ein Denkfehler, denn vulnerabel sind wir alle, wenn auch nicht alle in gleicher Weise.“ Verletzlichkeit sei für ihn ein „Appell zur Verantwortung. Doch wenn wir Verletzlichkeit verdrängen, dann spüren wir diese Verantwortung nicht.“

Verletzlichkeit werde häufig nur als Bedrohung betrachtet, erklärte er. Sie sei jedoch auch etwas Kostbares, weil sie die Chance für ein vertieftes Verständnis biete und Entwicklung ermögliche. Insofern wünsche er sich von den Heilberufen eine Reflexion über deren Menschenbild. Die Souveränität des Menschen sei aus seiner Sicht ein Zielpunkt: „Aber wir brauchen deswegen Medizin und Psychotherapie, weil sich diese Souveränität nicht von selbst einstellt, weil sie behindert werden kann und weil sie zerbrechlich ist.“ (KNA)

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