Positionspapier
Wirtschaftsrat der CDU wirbt für Deregulierung in der Pflege
Der Wirtschaftsrat der CDU will mehr Soziale Marktwirtschaft auch in der Pflege. In einem Positionspapier skizziert die CDU-nahe Organisation Vorschläge für Reformen in der ambulanten und stationären Pflege.
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Der Wirtschaftsrat der CDU hat nach eigener Darstellung einen „umfassenden Reformplan“ für die Pflege formuliert.
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Berlin. Der Wirtschaftsrat, eine einflussreiche Vorfeldorganisation der CDU mit 12.000 Mitgliedern, schlägt weitreichende Änderungen in der Sozialen Pflegeversicherung vor. Flexibilisierung, Deregulierung und Eigenvorsorge sind dafür Stichworte. Der Verband setzt sich laut Eigenbeschreibung „gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit für einen starken, international wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort Deutschland ein“.
Pflege sollte „effizient auf die wirklichen Bedarfe ausgerichtet sowie intersektoral neugestaltet werden“, heißt es in einem Papier der Bundesarbeitsgruppe Pflege im Wirtschaftsrat, das als „ein umfassender Reformplan“ für die Pflege bezeichnet wird. So sollte die „Versäulung des Vergütungssystems“ in der Pflege durch ein „integratives Finanzierungskonzept“ ersetzt werden.
Als „mögliche Lösung“ deklariert die CDU-nahe Organisation ein Pflegeversicherungsmodell „nach dem Stundenprinzip“: „Anstelle eines festen Budgets für Pflegeleistungen sollten Fachleistungsstunden pro Tag, abhängig vom individuellen Pflegebedarf, festgelegt werden“, lautet der Vorschlag. Die Preise pro Fachleistungsstunde sollten jährlich neu zwischen Leistungserbringern und Pflegekassen verhandelt werden.
Stundenkontingent pro Tag, das nach Pflegegrad variiert
Das Stundenbudget, so die Idee, könne flexibel genutzt, stundenweise oder in 10-Minuten-Einheiten. Bei der stationären Pflege schwebt dem Wirtschaftsrat ein Stundenkontingent pro Tag vor, das nach Pflegegrad variiert und den bisherigen Tagessatz ersetzen würde. Bei Wohngemeinschaften oder Gruppenbetreuungen sollte ein Pooling von Fachleistungsstunden möglich werden. Die Kosten für diese Fachleistungsstunden sollten von der Pflegeversicherung getragen werden, zusätzliche Leistungen müssten nach dem Modell „privat hinzugebucht“ werden.
Die Vorgabe höherer Personalschlüssel mit dem Ziel, das Pflegepersonal zu entlasten, hält der Wirtschaftsrat für den „falschen Weg“ – hier seien „lediglich steigende Kosten ohne Zusatznutzen“ die Folge. Nach Ansicht der Autoren liegen Einsparpotenziale darin, die „überbordende Regulierung“ im Ordnungsrecht der Bundesländer abzubauen. Nötig sei „eine deutliche Deregulierung und Vertrauen in die Kompetenz der Pflegekräfte, um mehr Gestaltungsräume zu generieren und Versorgungslücken zu vermeiden“.
Die Ausrichtung der Prüfungen auf die Qualität der Dokumentation sollte zurückgeführt werden im Sinne einer „kompakten, in Teilen digitalen und effizienten Prüfung der Ergebnis- wie (...) der Strukturqualität“.
Eigenvorsorge und Subsidiarität
Hochgehalten wird in dem Papier das Subsidiaritätsprinzip: Die Eigenvorsorge des Einzelnen müsse „die ausreichende Vorsorge für den Pflegefall umfassen“, heißt es dazu. Der Abschluss einer Pflegezusatzversicherung oder einer betrieblichen Pflegeversicherung könnten effektive Instrumente dafür sein. Von einer verpflichtenden privaten Vorsorge ist in dem Papier nicht die Rede. Dauerhafte Steuerzuschüsse an die Pflegeversicherung oder immer höhere Aufwendungen für Hilfen zur Pflege seien „nicht darstellbar“, so der Verband, der sich „Die Stimme der Sozialen Marktwirtschaft“ nennt.
Die 2022 für Heimbewohner eingeführten Pflegezuschläge, die die Eigenanteile reduzieren sollen, hält der Wirtschaftsrat für nicht vereinbar mit der Subsidiarität. „Ein sozialer Ausgleich des Eigenanteils kann nur bei finanzieller Bedürftigkeit über die Hilfe zur Pflege erfolgen. Alles, was darüber hinausgeht, ist Vermögenssicherung auf Kosten der Allgemeinheit“, lautet die Position.
Bei der ambulanten Pflege sehen die Autoren kritisch, dass in den vergangenen Jahren die Preise für ambulante Pflegedienst stärker gestiegen sind als die Sachleistungsbudgets der Pflegeversicherung. Insbesondere Angehörige unterer und mittlerer Einkommensgruppen entschieden sich in der Folge, aus dem Berufsleben auszusteigen. Sie übernähmen Betreuung und Pflege selbst und lebten im Übrigen von Sozialtransfers. Das führe in der Kombination aus sinkenden Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen und fehlenden Fachkräften zu einer „Gefährdung des Wirtschaftsstandorts“ Deutschland.
Neue Leistungskombinationen in der ambulanten Pflege
Vorschläge zur Neugestaltung der ambulanten Pflege:
Entlastungsleistungen bei Pflegegrad 1: Diese 131 Euro pro Monat würden, so die Autoren, „regelmäßig für Putzdienste eingesetzt“. Diese Mittel sollten stattdessen für Präventionsleistungen eingesetzt werden, um die Zunahme der Pflegebedürftigkeit zu verzögern. Auf diese Weise könnten jährlich 1,2 Milliarden Euro „umgeschichtet“ werden.
Liquiditätsengpässe bei Pflegediensten: Geboten sei eine „verlässliche und zeitnahe Vergütungsstruktur“: „Die Regel muss sein, dass plausible Angaben der Pflegeeinrichtungen ohne zusätzliche Nachweise akzeptiert werden.“
Neue Leistungskombinationen: Die Autoren empfehlen, „kombinierbare Zeitbudgetlösungen“ einzuführen – so könnten „mehr Leistungen ohne steigende Kosten der Pflegeversicherung“ möglich werden: „Der Ansatz könnte sein, Menschen mit Pflegebedarf statt eines Geldbudgets ein Zeitbudget zuzuerkennen“, also beispielsweise bei Pflegegrad 4 X Stunden täglich. Diese Zeit könne dann 1:1 in Anspruch genommen werden oder zusammen mit der anderer Pflegebedürftiger in einen Pool eingebracht werden. (fst)