Rabattstrategie? Da zeigen sich die Kassen zugeknöpft

Das Bundesversicherungsamt setzt Kassen-Chefs mit der Vorgabe unter Druck, ihre vorhandenen Sortimentsverträge neu auszuschreiben. Da sagen sich viele Kassen: Abwarten und Schweigen sind Gold.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
So unterschiedlich wie die Logos ist auch das Vorgehen der Kassen bei Ausschreibungen.

So unterschiedlich wie die Logos ist auch das Vorgehen der Kassen bei Ausschreibungen.

© Foto: dpa

Beim Thema Rabattverträge haben sich der AOK-Verbund und die in diesem Bereich federführende AOK Baden-Württemberg der Transparenz und Offenheit verschrieben. Bislang folgen nur die wenigsten Krankenkassen dem Beispiel. Gefragt, wie sie mit ihren Sortimentsverträgen und künftigen Ausschreibungen umgehen, ist bei vielen Kassen die Zurückhaltung groß.

Das Bundesversicherungsamt (BVA) hat Kassen, die bisher mit Sortimentsverträgen arbeiten, unter Zugzwang gesetzt. Die Aufsicht hat sie aufgefordert, diese Verträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen und die Rabattverträge europaweit auszuschreiben.

Sortimentsverträge sollen möglichst lange leben

Zurzeit liefen nur einige Wirkstoffausschreibungen, schreibt Elisabeth Beck, Vorsitzende der Geschäftsführung von IMS Health, in einem Newsletter ihres Hauses. Sie habe den Eindruck, dass viele Kassen mit Sortimentsverträgen diese so lange wie möglich am Leben erhalten möchten, so Beck. "Sichern sie ihnen doch umfassende Einsparmöglichkeiten, die sich stets erweitern, wenn der Vertragspartner ein neues Präparat auf den Markt bringt, das dann automatisch Bestandteil des Vertrages wird." Da aber auch diese Kassen künftig europaweit und wirkstoffbezogen ausschreiben müssten, dürfe man gespannt sein, inwieweit ihnen die Vertragsgestaltung der AOK als Blaupause diene.

KKH-Allianz sieht keine Rechtssicherheit

"Erst Ende des Jahres wird klar sein, in welche Richtung sich die Rabattverträge entwickeln werden", sagt Sven Seißelberg, Apotheker im zentralen Arzneimittelmanagement der KKH-Allianz. Zurzeit gebe es noch keine Rechtssicherheit für das Ausschreibeverfahren. "Keiner weiß wirklich, wo die Reise hin geht", sagt er. Die KKH-Allianz hat momentan über 20 Rabattverträge, wobei die größte Rolle Sortimentsverträge mit vier großen Unternehmen spielen: Aliud, 1 A Pharma, Mylan dura und Ratiopharm.

Um auf die Zeit nach Auslaufen der großen Sortimentsverträge vorbereitet zu sein, schreibt die KKH-Allianz europaweit einzelne Wirkstoffe aus. Eigentlich habe die Kasse das Ziel, dabei mit mehreren pharmazeutischen Unternehmen zusammenzuarbeiten, berichtet Seißelberg. "Wir halten das für sinnvoll, um die Versorgung unserer Versicherten so weit wie möglich sicherzustellen." Die KKH-Allianz hat für acht Wirkstoffe bereits neue Rabattverträge ausgeschrieben, die Angebotsfrist läuft bis zum 19. Juni. Pro Wirkstoff will sie Verträge mit drei Unternehmen abschließen. <>

DAK wird bisher von der Vergabekammer gebremst

Dabei könnte es allerdings Probleme geben: Die DAK, die gemeinsam mit vier weiteren Kassen 18 Wirkstoffe europaweit ausgeschrieben hatte, wollte jeweils mit drei Partnern Verträge abschließen. Mit diesem Vorgehen ist sie zumindest bei einigen Wirkstoffen vor der Vergabekammer des Bundes gescheitert. Jetzt muss darüber das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entscheiden.

Der Ausgang des Verfahrens wird auch Auswirkungen auf das weitere Vorgehen der KKH-Allianz haben. Die Kasse müsse abwarten, ob die Wahl mehrerer Firmen möglich bleibe, oder alles auf einen exklusiven Rabattpartner herauslaufe, sagt Seißelberg. Die Deutsche BKK hat Sortimentsverträge mit Aliud und Mylan dura geschlossen.

Zurzeit läuft eine Ausschreibung über sieben Wirkstoffe, für die jeweils drei Rabattpartner gesucht werden. "Diese Ausschreibung wurde schon lange vorbereitet und ist keine Reaktion auf das Schreiben des BVA", betont Sprecherin Lydia Krüger.

Deutsche BKK plant, 60 Wirkstoffe auszuschreiben

Die Deutsche BKK fange mit kleinen Ausschreibungen an, um das Verfahren rechtssicher zu machen. Dann soll schrittweise weiter ausgeschrieben werden. "Wenn alles eingespielt ist, werden wir insgesamt 60 Wirkstoffe ausschreiben", kündigt sie an.

Die Deutsche BKK werde überprüfen, welche Wirkstoffe vom Volumen her für einen Rabattvertrag sinnvoll sind. Es sei ein Vorteil gegenüber Sortimentsverträgen, dass Kassen bei der Ausschreibung einzelne Wirkstoffe außen vor lassen können, sagt Krüger. "Das macht zum Beispiel im Bereich der Epilepsie Sinn, wenn Patienten gut eingestellt sind."

Die DAK, die im Moment wegen des Gerichtsverfahrens im Mittelpunkt des Interesses steht, will sich wegen der juristischen Auseinandersetzung nicht zum Thema äußern. Zum 1. Mai hat die DAK gemeinsam mit HEK, hkk, Hamburg Münchener Krankenkasse und IKK Hamburg Rabattverträge für drei Wirkstoffe abgeschlossen, bei denen jeweils mehrere Anbieter den Zuschlag erhalten haben. Die Verträge laufen zwei Jahre.

Die Techniker Krankenkasse und die Barmer prüfen zurzeit, welche Auswirkungen das BVA-Schreiben auf ihre Strategie bei den Rabattverträgen hat. Die Techniker hat vier Sortimentsverträge abgeschlossen. "Zur künftigen Gestaltung unserer Rabattverträge werden wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern", sagt ein Sprecher.

Barmer wartet ab mit Ausschreibungen

"Wir haben sechs Sortimentsverträge, die unbefristet gültig sind", sagt ein Sprecher der Barmer. Noch analysiere die Kasse, ob und wenn ja welche Konsequenzen das Rundschreiben der Aufsicht auf diese Verträge hat. Im Moment liefen bei der Barmer keine Ausschreibungen. "Für künftige Ausschreibungen von Rabattverträgen prüfen wir, ob sie wirkstoffbezogen erfolgen werden."

Auch Spectrum K, das Gemeinschaftsunternehmen von Betriebskrankenkassen und BKK-Landesverbänden, ist auf dem Gebiet der Rabattverträge aktiv. "Spectrum K organisiert derzeit für Krankenkassen eine wirkstofforientierte Generika-Ausschreibung", sagt Sprecher Thomas Isenberg. Zu den Inhalten der Ausschreibung äußert sich das Unternehmen nicht.

Spectrum K übernimmt für die teilnehmenden Kassen die komplette Ausschreibung und die Verwaltung der Rabattverträge. Zudem bereitet es für die Kassen Informationspakete für die Kommunikation mit Versicherten und Leistungserbringern vor.

Aufsichtsbehörde will bei alten Sortimentsverträgen Tabula rasa

Am 19. März hat das Bundesversicherungsamt (BVA) in einem Rundschreiben an alle bundesunmittelbaren Krankenkassen seine Position zum Vergaberecht bei Rabattverträgen dargelegt. Der Kernsatz: "Damit sind Rabattverträge in der Arzneimittelversorgung nach Paragraf 130a Abs. 8 SGB V, die den maßgeblichen EU-Schwellenwert von derzeit 206 000 Euro überschreiten, grundsätzlich im offenen Verfahren EU-weit auszuschreiben."

Doch selbst wenn dieser Wert nicht erreicht wird, sind die Kassen in der Gestaltung der Verträge nicht frei, betont die Aufsicht. Sie müssten zumindest ein Markterkundigungs- und Interessenbekundungsverfahren durchführen, "welches die Elemente des Wettbewerbs sowie der Chancengleichheit zwischen den potenziellen Bietern berücksichtigt".

Das BVA verweist darauf, dass nach dem Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts die Kassen bei der Ausschreibung von Rabattverträgen dem Mittelstandsschutz Rechnung zu tragen haben. "Die Krankenkassen sind somit nach künftigem Recht prinzipiell verpflichtet, die Vergabe nach Losen vorzunehmen", schreibt das Amt den Kassen ins Stammbuch. Eine Abweichung von der Losvergabe sei nur ausnahmsweise aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen zulässig.

Die Behörde ist der Auffassung, dass die Kassen Rabattverträge, die ohne Vergabeverfahren abgeschlossen wurden, "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" kündigen und unter Berücksichtigung der neuen Rechtslage erneut ausschreiben müssen.

Lesen Sie dazu mehr: Special Rabattverträge

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