Uniklinik Homburg

Sonderermittler soll Missbrauchs-Skandal aufklären

Sieben Stunden lang hat sich der Sozialausschuss des saarländischen Landtags über die Vorgänge an der Uniklinik Homburg aufklären lassen. Dabei zeigt sich: Frühen Hinweisen auf sexuellen Missbrauch ist offenbar nicht nachgegangen worden.

Andreas KindelVon Andreas Kindel Veröffentlicht:
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Homburg. Hier hat der mittlerweile gestorbene Arzt gearbeitet, der des Missbrauchs verdächtig ist.

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Homburg. Hier hat der mittlerweile gestorbene Arzt gearbeitet, der des Missbrauchs verdächtig ist.

© picture alliance/Becker&Bredel

SAARBRÜCKEN. Den Missbrauchsskandal an der Homburger Uniklinik (UKS) soll jetzt ein unabhängiger Ermittler aufklären. Das hat die CDU-Fraktion am Dienstag nach einer Sondersitzung des Landtags-Sozialausschusses in Saarbrücken angekündigt.

Für die Aufgabe vorgesehen ist der frühere saarländische Kripo-Chef Harald Schnur. Schnur arbeitet derzeit in der Polizeiabteilung des saarländischen Innenministeriums und soll für die Aufgabe in Homburg freigestellt werden.

Die CDU im Saar-Landtag erklärte, man begrüße die Einsetzung des Ermittlers, „der jeden einzelnen Verdachtsmoment sowie die Vorgänge und Abläufe beim UKS untersuchen wird“.

Der Sozialausschuss hatte sich am Dienstag sieben Stunden lang unter Ausschluss der Öffentlichkeit über den Skandal informieren lassen. Als Gäste waren Vertreter von Uniklinik, Ärztekammer, Justiz und Regierung sowie eine Opferanwältin eingeladen. Anschließend äußerten sich Abgeordnete entsetzt.

„Die Antworten lassen uns fassungslos zurück“, sagte zum Beispiel der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Alexander Funk. Frühen Hinweisen nach pädophilem Verhalten sei nicht nachgegangen worden. Kontrollen hätten nicht stattgefunden.

Zahl der Opfer weiter unklar

Ende Juni war bekannt geworden, dass ein inzwischen verstorbener Assistenzarzt an der Homburger Uniklinik jahrelang Kinder sexuell missbraucht haben soll. Von 2010 bis 2014 habe er in der „Ausscheidungsambulanz“ des Krankenhauses medizinisch unnötige Untersuchungen des Genital- und Analbereichs vorgenommen. Wie viele Opfer es gibt, ist unklar. Die Klinik spricht von 300 Patienten, die der Arzt behandelt hatte.

Nach der Sondersitzung im Saar-Landtag wurde auch bekannt, dass es jetzt erste Konsequenzen an der Uniklinik gibt. Wie die Saarbrücker Staatskanzlei mitteilte, läuft gegen den Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie ein Disziplinarverfahren. Für diese Zeit sei er vorübergehend von seinen Aufgaben entbunden. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, in dem Fall viel zu spät reagiert zu haben.

So fragt die CDU, warum dem beschuldigten Assistenzarzt einerseits „hervorragende Arbeitszeugnisse“ ausgestellt wurden – der Mediziner andererseits aber wenige Monate später entlassen wurde. Darüber müsse jetzt der Leiter der Klinik Auskunft geben.

Eltern wusste bis vor Kurzem nichts

Der „Saarländische Rundfunk“ (SR) meldete außerdem, dass der Medizinwissenschaftler Andreas Goldschmidt sein Aufsichtsratsmandat bei der Uniklinik niedergelegt habe. Goldschmidt habe dem Klinikvorstand vorgeworfen, nicht ausreichend über die Vorgänge informiert zu haben.

Weiterhin Kopfschütteln löst im Saarland die Tatsache aus, dass die Eltern der meist fünf bis acht Jahre alten betroffenen Kinder von den Vorwürfen und Ermittlungen gegen den Assistenzarzt bis vor Kurzem überhaupt nichts wussten.

Die Entscheidung der damaligen Uniklinik-Leitung, die Eltern nicht zu informieren, sei „nicht nachvollziehbar und absolut inakzeptabel“, kritisierte CDU-Fraktionschef Funk.

„Mit welcher Begründung nimmt sich das UKS das Recht heraus zu entscheiden, ob die Erziehungsberechtigten mit ihren Kindern über die Vorfälle sprechen können oder zumindest Verhaltensauffälligkeiten beobachten und einordnen können“, fragte Funk.

Linke will Untersuchungsausschuss

Auch die Saarbrücker Staatsanwaltschaft muss sich fragen lassen, warum sie die Eltern über ihre Ermittlungen nicht in Kenntnis gesetzt hatte. Juristen hatten der Anklagebehörde vorgehalten, das sei schon deshalb notwendig gewesen, um den Eltern die Möglichkeit zu geben, sich über Hilfs- und Schadensersatzmöglichkeiten zu informieren.

Der amtierende saarländische Justizminister Peter Strobel (CDU) hat die Staatsanwaltschaft inzwischen in Schutz genommen.

Strobel sagte dem SR, die Ankläger hätten gemäß Strafprozessordnung keine Befugnis gehabt, die Eltern zu informieren. Bis zum Tod des beschuldigten Assistenzarztes habe sich keine Straftat „konkretisieren“ lassen. Das hätten zwei Überprüfungen durch die Generalstaatsanwaltschaft ergeben.

Die Vorgänge an der Homburger Uniklinik werden den Saarländischen Landtag auf jeden Fall auch nach der Sommerpause weiter beschäftigen.

Die Linken kündigten bereits an, dass sie nächsten Monat die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragen wollen. Der Abgeordnete Dennis Lander erklärte, der eingesetzte Sonderermittler sei wegen seiner Arbeit im Innenministerium nicht unabhängig genug, um alle Vorwürfe aufzuklären.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lipidtherapie

Erster oraler PCSK9-Hemmer Enlicitide senkt LDL-Cholesterin

Lesetipps
In der Grippe-Saison 2025/2026 in Europa wird die Influenza-Variante, A(H3N2) der Subklade K wahrscheinlich eine dominierende Rolle spielen.

© peterschreiber.media / stock.adobe.com

Influenza A(H3N2) Subklade K

Grippe-Saison in diesem Jahr früher – ECDC rät zu Impfung