Independence Day in Corona-Zeiten

Trumps Flucht in die eine, heile Welt

Die Corona-Pandemie drückt auf die Stimmung, die Polizeigewalt gegen Schwarze wühlt die US-Amerikaner noch immer auf. Vielen war dieses Jahr am wichtigsten Nationalfeiertag der USA nicht nach feiern zumute. Dem Präsidenten schon.

Von Lena Klimkeit Veröffentlicht:
US-Präsident Donald Trump gibt sich trotz der Krisen siegerisch am Denkmal Mount Rushmore. Anlässlich des Unabhängigkeitstages am 4. Juli war er bei einem Feuerwerk am Denkmal im US-Bundesstaat South Dakota anwesend.

US-Präsident Donald Trump gibt sich trotz der Krisen siegerisch am Denkmal Mount Rushmore. Anlässlich des Unabhängigkeitstages am 4. Juli war er bei einem Feuerwerk am Denkmal im US-Bundesstaat South Dakota anwesend.

© Alex Brandon/AP/dpa

Washington. Das Weiße Haus steht an diesem Tag zwischen den Welten. Auf der Südseite sind am Samstag auf saftigem grünen Rasen weiße Tische aufgestellt, eine Band spielt patriotische Musik. Kriegsflugzeuge ziehen über die US-Hauptstadt hinweg, anschließend knallt buntes Feuerwerk. Auf der Nordseite der Regierungszentrale fordern Demonstranten den 37. Tag in Folge Gerechtigkeit für Opfer von Polizeigewalt und ein Ende des Rassismus. US-Präsident Donald Trump steht nicht der Sinn danach, die beiden Welten zu vereinen – auch nicht am Unabhängigkeitstag.

Es war ein denkwürdiger 4. Juli. Der diesjährige amerikanische Geburtstag am Samstag stand nicht nur unter dem Eindruck der andauernden landesweiten Proteste. Die Coronavirus-Pandemie drückte auf die Stimmung, viele Feierlichkeiten fanden aus Sorge vor einem weiteren Anfachen der Situation gar nicht erst statt. Die massive Lähmung der Wirtschaft und die hohe Arbeitslosigkeit taten ihr Übriges. Zudem steht den USA eine Wahl ins Haus, in nicht mal vier Monaten ist es so weit. Und das ist spürbar.

Lange machte Trump nicht mehr einen so zufriedenen Eindruck

Statt eine versöhnliche Botschaft zu senden oder Zuversicht in Zeiten der Krise zu verbreiten, setzte Trump auf Spaltung, Wut und Angst. Am Freitagabend ließ er sich bei einer offiziellen Veranstaltung des Weißen Hauses von mehreren Tausend Anhängern am Fuße der monumentalen, in Stein gemeißelten Porträts seiner berühmten Vorgänger am Mount Rushmore in South Dakota bejubeln.

Am Vorabend des patriotischsten Feiertages der USA zeichnete Trump das Bild eines Feindes im Inneren, der die Geschichte und mit ihr Werte und das kulturelle Erbe auslöschen will, und beklagte einen neuen linksgerichteten „Faschismus“, der absolute Gefolgschaft einfordere. Mit den polarisierenden Aussagen ist ihm der Jubel seiner Anhänger sicher: „USA! USA! USA!“ Lange machte Trump nicht mehr so einen zufriedenen Eindruck.

Infektionszahlen schnellen nach oben

Wer gehofft hat, dass Trump seinen Ton am Samstag vor weiß-blau-rotem Rauch im Garten des Weißen Hauses ändern würde, wurde weitestgehend enttäuscht. Er erneuerte nicht nur seinen Angriffe auf die Demonstranten, sondern auch die Kritik an China für den Umgang mit dem Ausbruch des Coronavirus. Lobende Worte gab es nur für die Strategie der USA, die „gut“ vorankomme.

Dabei schnellen die Infektionszahlen dieser Tage in einem bislang noch nicht dagewesenen Tempo in die Höhe. Allein Florida meldet am Samstag fast 11.500 Neuinfektionen binnen 24 Stunden – so viele wie noch nie. Gesundheitsexperten widersprechen Trumps Darstellung, dass dies nur das Ergebnis der vielen Tests sei.

99 Prozent der nachgewiesenen Fälle laut Trump harmlos

Trump behauptet am Samstag, 99 Prozent der nachgewiesenen Fälle seien „komplett harmlos“. Insgesamt starben bereits rund 130.000 Menschen in den USA infolge einer Infektion. Viel Platz räumte er dem leidigen Thema Pandemie aber nicht ein – geschweige denn dem Schmerz der Angehörigen der Todesopfer. Am Freitag nahm er das Wort „Corona“ gar nicht erst in den Mund und erwähnte nur an einer Stelle das „Virus“.

Trump wird immer wieder vorgeworfen, die Pandemie herunterzuspielen und zu zögerlich darauf reagiert zu haben. Zudem wird kritisiert, dass der Präsident sich in der Öffentlichkeit nicht mit Schutzmaske zeigt und damit kein gutes Vorbild abgibt. Der Effekt wurde am Mount Rushmore und im Garten des Weißen Hauses sichtbar: Nur wenige Anwesende trugen einen Mund-Nasen-Schutz. Wer sich an diesem Feiertagswochenende an Donald Trump hielt, konnte den Eindruck gewinnen, die Normalität in den USA sei zurück.

Wachsende Unzufriedenheit im Land

Trump, der erheblich unter Druck geraten ist, flüchtete sich am Unabhängigkeitstag dorthin, wo er sich am wohlsten fühlt – wo er nicht wegen seines Umgangs mit der Corona-Pandemie kritisiert wird oder wegen seiner Reaktion auf die Proteste gegen Rassismus nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd. Vor der Wahl am 3. November sehen Umfragen derzeit den designierten Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten, Joe Biden, in Führung. Zwar hat sich bei der Wahl 2016 gezeigt, wie falsch solche Umfragen liegen können; und in vier Monaten kann viel passieren – wie die erste Jahreshälfte bewiesen hat.

Doch Meinungsforschungsinstitute beobachten eine wachsende Unzufriedenheit im Land. Im April – als die Corona-Pandemie sich auf das öffentliche Leben in den USA auszuwirken begann – hätten noch 31 Prozent der Befragten angegeben, zufrieden damit zu sein, wie die Dinge im Land liefen, ergab eine Erhebung des Instituts Pew. Im Juni seien es nur noch 12 Prozent gewesen. Angst und Wut seien sowohl unter Demokraten wie auch unter Republikanern weit verbreitet, so Pew.

Wie groß die Wut ist, zeigte sich auch am Samstag. Trump beschloss seine Ansprache gerade mit den Worten, dass das Land in hervorragender Verfassung sei und viele gute Dinge passieren würden, da zirkulierten auf Twitter Videos von der anderen Seite des Weißen Hauses. Zu sehen sind Demonstranten, die eine US-Flagge anzünden. Sie skandieren: „Amerika war niemals großartig!“ (dpa)

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