Von wegen Ärztemotivationsgesetz

Auf die Länder und die Selbstverwaltung kommt mit der Umsetzung des Versorgungsstrukturgesetzes viel Arbeit zu. Wie in vielen Regionen werden auch in Hessen neue Projekte gestartet. Der KV-Vorstand stellt dem Gesetz allerdings kein gutes Zeugnis aus.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
KV-Chef Zimmeck und sein Vize Zimmermann: Kaum Sicherheiten für die Niederlassung durch das VStG.

KV-Chef Zimmeck und sein Vize Zimmermann: Kaum Sicherheiten für die Niederlassung durch das VStG.

© KV Hessen

FRANKFURT. Gut vier Monate nach Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes fällt die Einschätzung der KV Hessen über das Paragrafenwerk negativ aus.

Ein "Ärztemotivationsgesetz", wie Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sein Gesetzesvorhaben beworben hatte, erkennen die Vorstände der KV nicht.

Im Gegenteil: "Die sozialen Sicherheiten für eine Niederlassung sind durch das Gesetz nicht entstanden. Junge Ärzte können so keine Lebensplanung machen", erklärt Frank-Rüdiger Zimmeck, Vorstand der KV Hessen, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Auch Dr. Gerd Zimmermann, Hausarzt und KV-Vize, erklärt: "Zwar wurde die Residenzpflicht gelockert, allerdings bleibt der Bereitschaftsdienst ein großes Problem, gerade für junge Ärztinnen und Ärzte mit Familie."

Für Hessen arbeitet die KV an einem neuen Modell des Bereitschaftsdienstes, erklärten die KV-Vorstände. So sollen künftig Leitstellen das Management der Anrufe hin zu den zuständigen Bereitschaftsdiensten übernehmen.

Dafür muss der Vorstand allerdings noch an der Basis werben, denn vor allem in den Ballungsregionen herrscht Unmut über die Reform des Bereitschaftsdienstes.

Ein Detail sorgt für berufspolitischen Sprengstoff

Heftige Kritik der KV-Vorstände erntet auch die Bedarfsplanung. "Komplett aufheben" will Zimmermann die statistischen Planungsinstrumente.

Im Vorstand arbeitet man derzeit an einer Idee, wie für die Regionen, in denen ein Hausarzt fehlt, bessere Angebote an die Bürgermeister zur Unterstützung bei einer Nachfolgersuche gemacht werden können. Dies soll unabhängig von der Bedarfsplanung laufen.

Doch nicht nur der drohende Ärztemangel beschäftigt die KV, auch der im Gesetz vorgesehene Abbau von Überversorgung. Hier könnte ein Detail im Versorgungsstrukturgesetz noch berufspolitischen Sprengstoff erzeugen.

Das Gesetz sieht vor, dass die KV in überversorgten Regionen im Falle einer Praxisaufgabe die Praxis aufkaufen muss - aus welchen Mitteln ist allerdings unklar, da dies das Gesetz ungenau regelt.

Eine "Enteignung" lehnt die KV Hessen ab. "Eine KV wird ihre Ärzte nicht enteignen, das steht weder uns noch dem Staat zu", so Zimmeck.

Positiv bewerten die beiden KV-Vorsitzenden, dass durch das Versorgungsstrukturgesetz erstmals das Prinzip "Beratung vor Regress" eingeführt wurde. Die Angst vor Regressen behindere jetzt nicht mehr die Niederlassung, denn keiner verordne Medikamente oder Heilmittel aus Jux, erklärt Zimmeck.

Und Hausarzt Zimmermann fügt hinzu: "Der Text ist eine Sensation. Wir können nun beraten, bevor ein Arzt ins Wasser gefallen ist."

Bahr will Beratung vor Regress stärken

Allerdings sieht Zimmermann eine zeitnahe Umsetzung durch die Blockadehaltung der Kassen bedroht: Nach Ansicht der KV sollte die Beratungen schon bei Regressen aus dem Jahr 2010 gelten.

Die Kassen wollen das Gesetz aber erst ab dem Prüfjahr 2012 anwenden - also frühestens 2015. Anfang der Woche erklärte auch Bundesgesundheitsminister Bahr, dass für ihn "die Beratung vor Regress sofort für die laufenden Verfahren gilt."

Beim Thema Regionalisierung der Honorarverteilung wollen die Hessen nicht dem Beispiel der Nachbarn aus Rheinland-Pfalz folgen, die kürzlich die RLV abgeschafft und Individualbudgets eingeführt haben.

"Wir bewundern die Kollegen in Rheinland-Pfalz für ihren Mut", erklärte Zimmermann. In Hessen sollen die RLV bestehen bleiben und durch Individualbudgets ergänzt werden.

Auf der Suche nach Projekten zur Delegation

Die Zusammenarbeit mit dem Landesgesundheitsministerium zur Umsetzung der Gesetzesvorgaben hat bereits im vergangenen Herbst begonnen.

Beim vom Ministerium initiierten "Hessischen Pakt zur Sicherstellung der Gesundheitlichen Versorgung" wurden neben KV und Landesärztekammer auch die Kassen einbezogen. Mit dem Pakt sollen auch Pilotprojekte wie die Delegation von ärztlichen Leistungen angeschoben werden.

Nach Willen der Unterzeichner sollen die gängigen Modelle wie AGNES oder VERAH nicht eins zu eins übernommen werden. Es sollen zunächst Modellregionen gefunden werden, in denen jeweils ein Projekt erprobt wird.

Hier sei man allerdings noch auf der Suche nach möglichst vergleichbaren Modellpraxen, sagte Zimmeck der "Ärzte Zeitung". Auch bei den Projekten, die aus dem Strukturfonds, der von Kassen und KV mit je 0,1 Prozent der Gesamtvergütung gespeist wird, finanziert werden sollen, ist noch keine Förderung von Initiativen ausgesprochen worden.

Das Fazit der KV: Es werde viel Arbeit, die einzelnen Vorschriften umzusetzen - und es gebe zu viele gute Absichten, die aber oft schlecht formuliert seien. "Die Erfolge werden sich erst in zehn Jahren messen lassen", erklärt Zimmeck.

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