Kliniken sagen Schwarz-Gelb den Kampf an

"Keine weiteren Kürzungen!" Die deutschen Krankenhäuser stemmen sich gegen die Sparpolitik der schwarz-gelben Koalition - und drohen unverhohlen mit geschlossenem Widerstand. Angeblich sollen 2014 zusätzlich 300 Millionen Euro zu Lasten der Kliniken eingespart werden.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Operateur bewegt Operationslampe. Die Kliniken bewegt ihre finanzielle Zukunft.

Operateur bewegt Operationslampe. Die Kliniken bewegt ihre finanzielle Zukunft.

© Julian Rovagnati / shutterstock.com

BERLIN. Die Kliniken laufen Sturm: Schon wieder werde bei ihnen gekürzt - und das, obwohl sie nach wie vor Leidtragende des GKV-Finanzierungsgesetzes seien.

Bis zum Ende der Legislaturperiode würden die Krankenhäuser 3,6 Milliarden Euro weniger Mittel zur Verfügung haben. "Angesicht der vollen Kassen gibt es für diese Einsparungen überhaupt keinen Grund", sagte Alfred Dänzer, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), am Montag in Berlin.

Ihren Appell, die Krankenhäuser nicht weiter zu belasten, richten die Krankenhäuser direkt an Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Dabei fährt die DKG schweres Geschütz auf: Sollten weitere Kürzungen für die Kliniken beschlossen werden, würden "die Krankenhäuser mit ihren 1,1 Millionen Beschäftigten in eine Protestgemeinschaft gegen die Regierung gezwungen werden", so Dänzer.

Politiker und Kassen verstehen Aufregung nicht

CDU-Politiker Jens Spahn kritisierte die Einschüchterungsversuche der DKG: "Die Krankenhäuser erhalten in 2012 und 2013 deutlich mehr Geld. Das ist auch sachgerecht. Deswegen erwarten wir keinen Dank, aber Drohungen dieser Tonlage sind nicht ok."

Der GKV-Spitzenverband wirft den Krankenhäusern eine einseitige Wahrnehmung vor: "Allein durch die gesetzlichen Krankenkassen sind ihre Einnahmen in den letzten fünf Jahren von 50,1 auf 60,2 Milliarden Euro gestiegen", sagt Ann Marini, stellvertretende Sprecherin des Verbandes.

2012 kämen noch einmal 2,5 Milliarden Euro "aus den Portemonnaies der Beitragszahler hinzu". Mehreinnahmen von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr seien keine Kürzungen.

Auch das Bundesgesundheitsministerium kann die Aufregung nicht nachvollziehen. "Die Koalition hat die Probleme der Krankenhäuser im Blick", sagte ein Sprecher des Ministeriums der "Ärzte Zeitung".

Es seien Regelungen für einen Tarifausgleich in Vorbereitung, der die Krankenhäuser entlasten solle. Zudem werde im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zum Psychentgeltgesetz auch über Maßnahmen zur Krankenhausfinanzierung beraten, hieß es.

Streitpunkt Mehrleistungsabschläge

Gerade aber das bringt die Klinikvertreter auf die Palme. Änderungsanträgen der Regierungsfraktionen zum Psychentgeltgesetz zufolge sollen den Krankenhäusern im Jahr 2014 zusätzliche Kürzungen in Höhe von 300 Millionen auferlegt werden.

Dabei geht es um die Verlängerung der Mehrleistungsabschläge auf die Jahre 2013 und 2014. Union und FDP wollen den Mehrleistungsabschlag für diese beiden Jahre von derzeit 30 auf 25 Prozent senken. Das geht aus einem Änderungsantrag zum Psych-Entgeltgesetz hervor, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Transplantationen sollen von den Abschlägen ausgenommen werden. Kliniken und Kassen sollen aufgrund besonderer Qualitätsvereinbarungen freiwillig Ausnahmen von der Abschlagspflicht vereinbaren können.

Damit wollen Union und FDP finanzielle Anreize setzen. Die Krankenhäuser wittern jedoch Gefahr. Die Kassen erhielten die Möglichkeit, Patienten in ihnen genehme Krankenhäuser zu steuern, wird befürchtet.

Ab 2015 soll der Abschlag entfallen. Die Regierungsfraktionen hoffen, dass dann belastbare Forschungsergebnisse vorliegen, aus welchen Gründen sich die stationären Leistungen stetig ausweiten.

Um diese Frage zu beantworten, wollen die Regierungsfraktionen die Selbstverwaltungspartner verpflichten, einen Forschungsauftrag zu vergeben.

GKV-Spitzenverband: Kliniken sind Kostentreiber Nummer eins

Die Kliniken sehen Belastungen aus weiteren bereits beschlossenen Gesetzen auf sich zukommen. Ein Beispiel sei das Infektionsschutzgesetz: Das bedeute Neueinstellungen "mit 400 Millionen Euro ungedeckten Mehrkosten für die Krankenhäuser".

Die Kliniken befänden sich in einer insgesamt sehr angespannten Lage, sagte Dänzer. Jetzt müsse sogar um Qualität und Niveau der medizinischen Versorgung gefürchtet werden, wenn die Finanzierung der Personal- und Sachkosten nicht auf eine stabile und berechenbare Grundlage gestellt werde.

Der GKV-Spitzenverband bleibt jedoch dabei: Krankenhäuser seien die Kostentreiber Nummer eins in der Krankenversicherung.

Im Kern gehe es weder um die Krankenhausgesellschaft noch um den Krankenkassenverband, sondern um die gute und wirtschaftliche Versorgung von 70 Millionen Versicherten, so Marini.

Noch schärfer reagierte Uwe Deh, Vorstand des AOK-Bundesverbandes: "Jetzt den Patienten mit einer schlechteren Versorgung zu drohen, mutet schon wie ein Erpressungsversuch gegenüber Politik und Betroffenen an."

Die Kliniken versuchten offenbar erneut eine Notsituation herbeizureden, "die es weder gibt noch geben wird".

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