Positiver Nebeneffekt

Schützt eine bariatrische Op vor Krebs?

Die bariatrische Chirurgie ist bei Schwergewichtigen offenbar in der Lage, das Risiko für bestimmte Tumorarten deutlich zu senken. In einer US-Kohortenstudie mit fast 90.000 Teilnehmern profitierten vor allem adipöse Frauen.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Für adipöse Patienten ist die bariatrische Operation oft der letzte Ausweg.

Für adipöse Patienten ist die bariatrische Operation oft der letzte Ausweg.

© Waltraud Grubitzsch / ZB / pictu

CINCINNATI. Dass sich mithilfe bariatrischer Eingriffe das Krebsrisiko adipöser Menschen deutlich senken lässt, haben bereits mehrere kleinere Studien nahegelegt, darunter die Utah Obesity Study und die Swedish Obese Subjects Study (SOS). Erstere hatte jedoch keine Begleiterkrankungen berücksichtigt, und in der SOS-Studie waren Eingriffe zugelassen, die heute üblicherweise nicht mehr durchgeführt werden.

In einer aktuell vorgelegten Kohortenstudie hat das Forscherteam um Dr. Daniel P. Schauer von der Universität Cincinnati Wert darauf gelegt, solche methodischen Mängel zu vermeiden (Ann Surg 2017; online 21. September). An der retrospektiven Beobachtungsstudie haben insgesamt 88.679 adipöse Patienten teilgenommen, die in fünf verschiedenen Zentren in den USA behandelt wurden.

Dreieinhalb Jahre Beobachtungszeit

22.198 Teilnehmer erhielten zwischen 2004 und 2014 eine bariatrische Op, und zwar überwiegend als Magenbypass- oder Schlauchmagen-Op. Diesen gegenübergestellt wurden 66.481 nicht operierte Kontrollpatienten, wobei man beide Gruppen hinsichtlich einer ganzen Reihe möglicher Einflussfaktoren abgeglichen hatte: Geschlecht, Alter und BMI, aber auch Begleiterkrankungen wie Diabetes, Hyperlipidämie, Hochdruck, KHK, periphere Gefäßerkrankungen und nichtalkoholische Steatohepatitis. Ferner floss auch der Elixhauser-Komorbiditätsindex in die Berechnungen ein. Und nicht zuletzt hatten Schauer und Kollegen in ihrer sorgfältig konzipierten Megastudie auch eine eventuelle Hormonersatztherapie, Alkoholkonsum und Rauchen berücksichtigt.

Was sich nach einer mittleren Beobachtungszeit von dreieinhalb Jahren zeigte, war ein statistisch signifikanter Vorteil bei den operierten Patienten: Bei ihnen war das Risiko, irgendeine Krebsform zu entwickeln, um rund 33 Prozent niedriger als bei den Nicht-Operierten. In der Op-Gruppe waren 488 Patienten an einem Karzinom erkrankt, in der Kontrollgruppe 2055.

Einiges spricht für Kausalität

Am stärksten war der Effekt der bariatrischen Chirurgie bei den mutmaßlich mit der Adipositas in Zusammenhang stehenden Tumorentitäten: Hier sank das Risiko um relative 41 Prozent. Die entsprechende Definition beruht auf dem Vorschlag der International Agency for Research on Cancer (IARC) und umfasst unter anderem postmenopausalen Brustkrebs, Endometriumkarzinom, Kolonkarzinom sowie Karzinome von Pankreas, Leber, Gallenblase, Niere und Schilddrüse.

Wer von dem Eingriff vor allem profitierte, waren die Frauen. Nach der Op war bei ihnen das Krebsrisiko gegenüber der (weiblichen) Kontrollgruppe um 36 Prozent gesunken, das Risiko für Karzinome, die auf die Adipositas zurückzuführen waren, um 42 Prozent. Bei Männern war der Unterschied dagegen nicht signifikant.

Der Vorteil für das weibliche Geschlecht lässt sich nach Ansicht der Forscher auf zwei mögliche Ursachen zurückführen: Erstens betraf die Risikoreduktion bei den adipositasassoziierten Tumoren in erster Linie spezifisch weibliche Tumoren wie Brustkrebs (Rückgang um 42 Prozent) und Endometriumkarzinom (Rückgang um 50 Prozent). Diese reagieren bekanntermaßen hochsensitiv auf die Östrogenspiegel im Blut, welche ihrerseits durch eine Gewichtsreduktion maßgeblich beeinflusst werden. Zweitens waren rund 80 Prozent aller operierten Patienten Frauen.

Auf typisch "männliche" Tumoren wie Prostata- und Lungenkrebs hatte die Op offenbar keinen Einfluss. Dagegen hatte das Pankreaskarzinomrisiko bei Männern und Frauen zusammengenommen um 54 Prozent abgenommen, das Darmkrebsrisiko um 41 Prozent. Fälle von Speiseröhrenkrebs hatte es in der Kontrollgruppe 16 gegeben, in der Op-Gruppe dagegen keinen.

Zwar liegt es in der Natur einer Beobachtungsstudie, dass sie keine kausalen Rückschlüsse erlaubt. Dennoch spricht Schauer und seinen Kollegen zufolge einiges für einen ursächlichen Zusammenhang, etwa die Beobachtung über mehrere Studien hinweg, die Plausibilität der beteiligten Mechanismen und die zeitlichen Zusammenhänge. Jetzt komme es darauf an, zu erforschen, über welche Mechanismen genau die bariatrische Chirurgie das Krebsrisiko sinken lässt.

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