Nicht in den USA, in Asien leben die meisten Diabetiker

Von Dirk Einecke Veröffentlicht:

Diabetes mellitus ist schon lange nicht mehr ein Problem nur der reichen Industrie-Nationen. Die mit Abstand meisten Diabetiker leben heute in Asien. Und die Prävalenz in den einzelnen Ländern dort steigt weiter stark. Sie würden in den nächsten Jahren von der "metabolischen Epidemie" überrollt, wenn nicht sofort reagiert werde, warnte Professor Pierre Lefèbvre, Präsident der World Diabetes Foundation, bei einem Pressegipfel in Hanoi in Vietnam.

Moped statt Fahrrad, Flucht vom Reisfeld in die Stadt, Fastfood und Softdrinks statt traditionelle asiatische Küche und Tee: In weiten Teilen Asiens finden tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen statt. Die Folge: Wo bisher der Blick fast ausschließlich auf die gesundheitlichen Folgen von Mangelernährung und schlechten hygienischen Verhältnissen gerichtet war, gewinnen chronische Krankheiten an Dringlichkeit, allen voran der Diabetes mellitus.

Schon heute liegen sieben der zehn Länder mit den höchsten Diabetiker-Zahlen in Asien. Die meisten Betroffenen gibt es in Indien und China. Die USA mit ihrem hohen Anteil Übergewichtiger und Adipöser in der Bevölkerung folgt erst auf Platz 3. Auch in Ländern wie Japan, Indonesien, Pakistan oder Bangladesh gibt es bereits heute mehr Diabetiker als in irgendeinem europäischen Land.

Die WHO schätzt die Zahl der Diabetiker in Asien auf 82 Millionen. Zum Vergleich: In ganz Europa geht man von 38 Millionen Patienten aus, in Nordamerika von 25 Millionen. Prognose für das Jahr 2025: 156 Millionen Diabetiker in Asien, 44 Millionen in Europa.

Die Diabetes-Häufung in Asien weist einige wichtige Besonderheiten auf, wie der Vizepräsident der World Diabetes Foundation, Dr. Anil Kapur aus Bangalore in Indien berichtete. Die genetische Belastung ist zum Beispiel auf dem indischen Subkontinent deutlich höher als bei Europäern. Auffallend hoch ist auch die Rate von Gestationsdiabetes. In Indien etwa sind 15 Prozent aller Schwangeren davon betroffen, in Europa dazu im Vergleich nur drei Prozent.

Ein weiteres Problem: Asiaten sind im Schnitt deutlich kleiner und schlanker als Europäer oder Nordamerikaner. Für sie gelten daher andere Grenzwerte: Ein Body-Mass-Index von 23 sowie ein Bauchumfang von 88 Zentimetern sind das obere Limit. Weite Teile der Bevölkerung sehen das anders: In Ländern, in denen Unterernährung und Hunger weit verbreitet sind, gilt gute und reichhaltige Ernährung als gesund, ein Bauchansatz als Zeichen des Wohlstandes. Die Folge: Es fehlt das Verständnis für die Risikofaktoren.

"Wenn wir nicht sofort handeln und den Ländern helfen, langfristig tragfähige Strukturen für Aufklärung, Prävention, Früherkennung und Behandlung zu etablieren, werden die Länder Asiens von der Diabetes-Epidemie wie von einem Tsunami überrollt", warnt Lefèbvre.

Die vor vier Jahren gegründete World Diabetes Foundation und die Weltgesundheitsorganisation haben bereits reagiert und bis dato 64 Projekte in unterschiedlichen asiatischen Ländern angeschoben, mit dem Ziel, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Die nächsten Schritte: Ausbildung von Ärzten, Aufklärung der Bevölkerung, Präventionsprogramme etablieren, Screening von Risikopatienten, Etablierung von Strukturen zu Diagnostik, Basisbehandlung und Therapieüberwachung.

Beispiel Vietnam: Hier wurden mit Hilfe der World Diabetes Foundation ein nationales Präventionsprojekt ins Leben gerufen, eine Aufklärungs-Kampagne in den Medien gestartet, eine landesweite Diabetes-Erfassungsstudie initiiert. Außerdem hat man nationale Diabetes-Leitlinien formuliert. Und: In zwei Provinzen wurden Pilotprojekte mit dem Ziel des Aufbaus einer flächendeckenden Versorgung gestartet. Ausgehend von einer Klinik in der Provinzhauptstadt werden nach dem Schneeball-System Anlaufstellen für die Patienten auf Distrikt-Ebene aufgebaut.

Eines dieser Modellkrankenhäuser ist die endokrinologische Fachklinik in Thanh Hoa. In der Klinik werden jährlich 11 000 Patienten behandelt, davon 2000 Diabetiker. 700 davon sind in einem "Diabetes Club" organisiert. Die Klinik bietet in einfachen Verhältnissen eine medizinische Basisversorgung. Ganz im Vordergrund stehen Aufklärung, Früherkennung und Prävention. Die Unterstützung durch das nationale Gesundheitsministerium und die Behörden vor Ort ist vorbildlich.

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