REM-Schlafstörung

RBD deutet zuverlässig auf Neurodegeneration

Patienten mit einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung erkranken offenbar alle früher oder später an Parkinson oder einer Lewy-Körperchen-Demenz. Darauf deuten Langzeitbeobachtungen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Guter Schlaf? RBD weist auf ein erhöhtes Risiko für Demenz oder Parkinson hin.

Guter Schlaf? RBD weist auf ein erhöhtes Risiko für Demenz oder Parkinson hin.

© Monika Wisniewska / fotolia.com

BARCELONA. Es ist ein Phänomen, unter dem zunächst die Partner der Patienten leiden: Bei REM-Schlaf-Verhaltensstörungen (RBD, rapid-eye-movement sleep behaviour disorder) werden die Träume ausgelebt.

Die übliche motorische Hemmung in der REM-Phase unterbleibt, die Betroffenen schlagen und treten tatsächlich um sich, wenn sie entsprechend träumen - Verletzungen beim Partner sind da keine Seltenheit.

Was zunächst als lästige Parasomnie daherkommt, ist in Wirklichkeit aber der Beginn einer neurodegenerativen Erkrankung, bei der sich Lewy-Körperchen mit Alpha-Synuclein-Aggregaten bilden - das scheint sich immer mehr herauszukristallisieren.

So haben Ärzte schon lange festgestellt, dass Patienten mit RBD Jahre später eine Parkinsonerkrankung oder eine Lewy-Körperchen-Demenz entwickeln. Auch die Multisystematrophie (MSA) zählt zu den Synucleinopathien, die nach einer RBD-Diagnose gehäuft auftreten.

Die bange Frage bis heute lautet, ob alle RBD-Patienten diesen Weg beschreiten oder ob die RBD nur ein Risikofaktor unter vielen für eine Lewy-Körperchen-Erkrankung ist.

Glaubt man den Daten von Alex Iranzo und Mitarbeitern aus Barcelona, dann ist die RBD in der Tat nicht nur Risikofaktor, sondern Frühsymptom der Neurodegeneration.

Nach 14 Jahren bei fast allen neurologische Defizite

Iranzo und sein Team haben Daten einer Kohorte von 44 neurologisch zunächst unauffälligen Patienten neu ausgewertet (Lancet Neurol 2013; 12: 443-53). Bei allen war zwischen 1991 und 2003 eine RBD per Video-Polysomnografie im Schlaflabor diagnostiziert worden.

Diese Patienten hatten die spanischen Neurologen bereits im Jahr 2005 untersucht und damals bei etwa der Hälfte Defizite gefunden. Bei neun konnten sie ein Parkinson-Syndrom diagnostizieren, bei sechs eine Lewy-Körperchen-Demenz, bei vier erste kognitive Defizite (MCI) und bei einem Patienten eine MSA. Zwei Patienten waren inzwischen gestorben.

Sieben Jahre später hatte sich der Zustand der übrigen 22 Patienten ebenfalls dramatisch verändert: Sieben von ihnen waren an Parkinson erkrankt, fünf an einer Lewy-Körperchen-Demenz und vier hatten eine MCI.

Nur bei vier der Überlebenden ließen sich noch keine klinischen Symptome feststellen, aber diese zeigten bereits Auffälligkeiten bei Biomarkern, wie sie sie typisch für solche Erkrankungen sind.

Die Dopamin-Transporter-Bildgebung ergab bei allen abnorme Werte, bei einem Patienten fand sich eine Hyperechogenität im transkraniellen Ultraschall, wie sie bei Parkinson-Patienten oft auftritt, zwei schnitten beim Geruchstest schlecht ab, was ebenfalls auf eine beginnende Parkinsonerkrankung deutet. Zwei weitere Patienten konnten nicht mehr aufgespürt werden.

Insgesamt waren fünf Jahre nach der RBD-Diagnose noch 65 Prozent der Patienten ohne neurologische Defizite, dieser Anteil war nach zehn Jahren auf 27 Prozent geschrumpft und lag nach 14 Jahren bei nur noch 7,5 Prozent.

Interessant ist auch, dass drei der vier Patienten, die 2005 eine MCI hatten, inzwischen an einer Lewy-Körperchen-Demenz erkrankt waren. Dies bestätigt die Vermutung, dass eine RBD in Kombination mit ersten kognitiven Defiziten den Beginn einer Lewy-Körperchen-Demenz ankündigt.

Kein dopaminerges Phänomen

Bei den übrigen Patienten gehen die Forscher um Iranzo aufgrund des Biomarkerprofils davon aus, dass auch sie an einer Synucleinopathie erkranken, wenn sie noch einige Jahre am Leben bleiben.

Sollten sich diese Ergebnisse in anderen Kohorten bestätigen, dann könnte man die RBD definitiv als Frühsymptom einer Neurodegeneration vom Lewy-Typ betrachten.

Umgekehrt kündigt sich allerdings nicht jede Synucleinopathie mit dieser Parasomnie an, bei manchen Patienten tritt die RBD erst nach den Symptomen einer neurodegenerativen Erkrankung oder gar nicht auf.

Auf dem europäischen Neurologenkongress in Prag hat Professor Joan Santamaria von der Universitätsklinik in Barcelona vor einem Jahr vermutet, dass solche Unterschiede möglicherweise durch verschiedene Verlaufsformen der einzelnen Erkrankungen bedingt sind.

So ist die RBD bei Parkinson praktisch nur beim rigid-akinetischen Typ ein Frühsymptom, während sie sich beim tremordominanten Typ fast immer nach den motorischen Symptomen manifestiert.

Dies könnte wiederum daran liegen, dass sich die Alpha-Synuclein-Ablagerungen in unterschiedlicher Weise vom Hirnstamm ausgehend im Gehirn ausbreiten und dabei zu unterschiedlichen Zeitpunkten Regionen lahmlegen, die für die Unterdrückung der Motorik im REM-Schlaf nötig sind, sagte Santamaria, der auch an der aktuellen Publikation mitgewirkt hat.

Trotzdem bleiben noch viele Zusammenhänge unklar. So ist die RBD offenbar kein dopaminerges Phänomen, die Störungen werden weder mit Parkinson-Arzneien noch mit subthalamischer tiefer Hirnstimulation gelindert.

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