Karolinska-Institut entscheidet, wer den Medizin-Nobelpreis bekommt

STOCKHOLM (dpa). Nirgendwo bekommt man Fragen nach dem Nobelpreis für Medizin so sachkundig, aber auch so engagiert beantwortet wie am Karolinska Institut (KI) in Stockholm. "Wir haben einen etwas besseren Ruf, als wir eigentlich verdienen, weil der Preis von uns vergeben wird", meint Stammzellenforscher Thomas Perlmann freimütig, der zur Weltklasse in seiner Disziplin gehört. Vom eigenen Nobelpreis träumt er "eigentlich nie".

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Perlmanns Professorenkollege Jan Carlstedt-Duke träumt da schon viel konkreter, allerdings auch auf kleinerer Flamme. Der KI-Forschungschef ist ein bißchen traurig, daß er persönlich (noch) nicht zu den 50 Mitgliedern der Nobelversammlung gehört, die jedes Jahr im Frühherbst über die Vergabe des Preises für Medizin oder Physiologie entscheidet: "Natürlich würde ich schrecklich gerne dabei sein. Das will jeder Professor hier am Institut."

Aber nur jeder sechste der 300 am KI lehrenden, forschenden und am angeschlossenen Krankenhaus arbeitenden Professoren hat Sitz und Stimme in der Nobelversammlung. Am Montag werden die diesjährigen Preisträger bekanntgegeben.

Rektorin Harriet Wahlberg-Henriksson gehört als eine von vier Frauen - unter 46 Männern - dazu und träumt ihrerseits von mehr Medizin-Nobelpreisträgerinnen: "In 20 Jahren sollten 15 bis 20 Prozent Frauen unter den Preisträgern sein."

Die 48jährige Physiologin ist die erste Frau überhaupt an der Spitze von Schwedens größter medizinischer Forschungseinrichtung mit einem Jahresetat von 2,8 Milliarden Kronen (310 Millionen Euro). Sie nennt das von Alfred Nobel 1895 per Testament verfügte Recht zur Vergabe des Medizinpreises "eine große Ehre für uns". Und eine nicht zu bezahlende Reklame: "Klar, das wirkt sich permanent auf unsere alltägliche Arbeit aus. Alle sagen ,Ja‘ und kommen, wenn Karolinska ruft."

1810 hatte Schwedens König Karl XIII das KI für sehr zielgerichtete medizinische Forschung gründen lassen. Denn dem Regenten war die Zahl der Todesfälle in Feldlazaretten bei seiner Niederlage im Finnischen Krieg gegen Rußland zu hoch. 51 Jahre später erhielt das Institut den Status einer Universität, heute bildet es 6000 Studenten aus.

Carlstedt-Duke nennt als KI-Forschungsschwerpunkte vor allem medizinische Grundlagenforschung mit Bezug auf die Umwelt. "Wir sind in der Epidemiologie unter anderem deshalb auch international ganz vorn, weil Schweden über herausragendes Datenmaterial mit liberalen Nutzungsbedingungen verfügt."

So verwaltet das KI ein komplettes Register über alle Krebserkrankungen in Schweden seit Anfang der 60er Jahre und ein komplettes Zwillingsregister seit Ende des 19. Jahrhunderts. Bei extrem teurer Forschung allerdings spielen die Skandinavier nicht in der Superliga der führenden US-Institute mit, deren Wissenschaftler regelmäßig Nobelpreise einheimsen. Selbst hat das KI es seit der ersten Nobelpreisvergabe 1901 auf immerhin fünf Medizin-Preisträger gebracht.

Die Nobelpreis-Sucht ist nach Aussage von Forschungschef Carlstedt-Duke in Schweden weit weniger ausgeprägt als unter US-Forschern: "Die setzen ja schon auf ihre Visitenkarten und Lebensläufe, daß sie für den Preis nominiert worden sind. Obwohl sie das gar nicht wissen können, weil die Nominierungen 50 Jahre lang streng geheim bleiben."

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