Umstrittene These

Kinder bekommen schadet der Umwelt

Kaum ein Thema wird so heftig diskutiert wie das Muttersein. Eine Lehrerin aus Regensburg hat mit ihrem Buch eine neue Debatte ausgelöst: Sie will auf gar keinen Fall ein Kind – der Umwelt und sich selbst zuliebe.

Von Britta Schultejans Veröffentlicht:

REGENSBURG. Verena Brunschweiger ist Lehrerin, 38 Jahre alt und will keine Kinder. Damit macht sie im Moment Schlagzeilen, weil sie ein Buch darüber geschrieben hat. In „Kinderfrei statt kinderlos“ bricht sie eine Lanze für ein Leben frei von Kindern – und begründet das vor allem mit dem Klimaschutz. „Kinderfreie Frauen müssen von ihrem schlechten Ruf befreit werden“, fordert sie.

Das Hauptargument ihres „Manifestes“, wie sie das Buch untertitelt hat: Kinder sind schlecht für die Umwelt, die CO2-Bilanz. Viele Leute in Deutschland wüssten gar nicht, „welche Belastung es für das Klima bedeutet, wenn wir so massig neue Leute produzieren.“. Ihr Fazit: Je weniger Kinder, desto besser.

Ein ziemlich misanthropischer Ansatz. Folgerichtig hat sie ihrem Werk ein Friedrich-Nietzsche-Zitat vorangestellt: „Ein neues Kind: oh wie viel neuer Schmutz kam auch zur Welt! Voll ist die Erde von Überflüssigen, verdorben ist das Leben durch die Viel-zu-Vielen.“

Teil eines Literatur-Trends

Eine Nachricht des EU-Statistikamtes Eurostat dürfte die Gymnasiallehrerin darum freuen: Die Gesamtzahl der Babys in der Europäischen Union sank von 5,148 Millionen im Jahr 2016 auf 5,075 Millionen im Jahr darauf. Das bedeutet im Schnitt 1,59 Geburten pro Frau. Deutschland lag sogar knapp unter dem EU-Durchschnitt.

Für Brunschweiger, die sich selbst Radikal-Feministin nennt, ist ihr kinderfreier Ansatz nach eigenen Angaben mehr als eine private Entscheidung, sondern ein „bewusster, feministischer Akt“. Sie nennt Kinder ein reaktionäres „Projekt“ und Mütter, die nur noch den Nachwuchs sehen, „Mombies“ - Mama-Zombies.

Mit dem Thema ist Brunschweiger Teil eines kleinen Literatur-Trends. Gerade ist auch das Buch „Mutterschaft“ der kanadischen Schriftstellerin Sheila Heti auf deutsch erschienen, das – wenn auch in anderer Form – ebenfalls die selbst gewählte Kinderlosigkeit zum Thema hat.

Bedauern über Mutterschaft

Die Debatte darum erinnert ein wenig an den Aufschrei, der vor einigen Jahren vor allem durch die Online-Mütterforen dieser Welt ging. Damals trendete nach dem Erscheinen des gleichnamigen Buches der israelischen Soziologin Orna Donath der Begriff „Regretting Motherhood“. Frauen räumten öffentlich ein, dass sie es zumindest zeitweise bedauern, Mutter geworden zu sein. Das galt vielen als Tabubruch.

Dabei haben Studien herausgefunden, dass Kinder tatsächlich kein Garant sind für das dauerhafte persönliche Glück. „Über alle Altersgruppen hinweg sind Leute mit Kindern unglücklicher als Leute ohne Kinder“, sagt der Direktor des Max-Planck-Institutes für demografische Forschung in Rostock, Mikko Myrskylä. „Kinder zu haben macht zwar zeitweise glücklicher. Aber nach ein paar Jahren verschwindet der positive Aspekt und die Leute sind genau so glücklich – oder unglücklich – wie vorher.“

Wenn frisch gebackene Mütter unglücklich sind, begründen sie das laut Myrskylä vor allem mit postnatalen Depressionen, sozialer Isolation, Schlafentzug und Veränderungen in der Beziehung. Und dazu kommt noch ein großer Druck von außen: Kaum ein Thema wird so heftig diskutiert wie das Muttersein.

Kind oder Karriere?

 Da wird das Private schnell politisch. Frauen und vor allem Mütter seien in Deutschland ständig konfrontiert mit gewissen Erwartungshaltungen, sagt die Marburger Psychoanalytikerin Helga Krüger-Kirn, die zu Mutterschaft und Geschlechterverhältnissen forscht und unter anderem das Buch „Mutterschaft zwischen Konstruktion und Erfahrung“ auf den Markt gebracht hat.

„Gesellschaftlich ist eine Mutter anerkannt, wenn sie alles schafft, Beruf und Muttertätigkeiten optimal vereinbart und vor allem, wenn sie „gelungene“ – sprich erfolgreiche und leistungsfähige Kinder hat“, sagt Krüger-Kirn.

Und so tritt auch die selbsterklärte Feministin Brunschweiger ihrer Ansicht nach mit der These, Frauen, die Kinder auf die Welt bringen, schaden der Umwelt, in eine altbekannte Falle: „Das ist so typisch: Mütter sind an allem schuld.“ (dpa)

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