Europas Pharmaindustrie übt harsche Kritik an Deutschland

Die Zeit der Diplomatie ist vorbei. In Sachen Nutzenbewertung reden internationale Hersteller nun Klartext.

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BERLIN (HL). Mit außergewöhnlich klaren Worten hat die europäische Pharma-Industrie, die im Dachverband EFPIA organisiert ist, die deutschen Rahmenbedingungen für forschende internationale Unternehmen kritisiert.

"In den letzten Jahren ist in Deutschland eine Reihe von Maßnahmen eingeführt worden, die für unsere Industrie strafenden Charakter haben", sagte EFPIA-Hauptgeschäftsführer Richard Bergström bei einer Konferenz seiner Organisation am Freitag in Berlin.

Beispiele: ein gesetzlicher Rabatt von 16 Prozent, ein Referenzpreissystem, das die Preise in Deutschland mit Ländern wie Griechenland verknüpft und eine Arzneimittelbewertung, die die Preise von neuartigen Arzneimitteln mit denen der Generika verbindet.

Bergström warnte: "Das wirkt sich so aus, dass die deutsche Bevölkerung keinen Zugang zu innovativen Therapien haben wird."

Traditionell sei Deutschland führend bei der raschen Einführung von Arzneimittelinnovationen gewesen. "Dieser Rang ist nun ernsthaft bedroht. Die ersten Erfahrungen mit dem AMNOG sind sehr enttäuschend. Die Probleme ergeben sich aus einem teils fehlerhaften Gesetz, unflexibler Interpretation und dem Unwillen, kreative Lösungen in Betracht zu ziehen."

Die Mitgliedsfirmen der EFPIA stellten fest, dass sich die Wahl der Vergleichsgröße bei Arzneimittelbewertungen oft von denjenigen unterscheidet, die nach Beratung mit der europäischen Zulassungsbehörde EMA für klinische Studien gewählt worden sei. Tatsächlich werde die Wahl der Vergleichsgröße dazu benutzt, die Preisfestsetzung für neuartige Arzneimittel in Deutschland in Richtung der Generika-Preise zu forcieren.

Damit würden jegliche Anreize für medizinische Entdeckungen untergraben. Preisvergleiche müssten deshalb mit patentgeschützten Präparaten erfolgen.

Die rigide Struktur der deutschen Nutzenbewertung und der Preisbildung habe Unternehmen dazu gezwungen, mehrere neue Arzneimittel in Deutschland nicht mehr zur Verfügung zu stellen. "Das ist ungünstig für deutsche Patienten und für Deutschland selbst, wenn es Unternehmen halten und neue Investitionen anziehen will", sagte Bergström.

Besonders schwer verständlich sei die Entscheidung, Griechenland in die Referenzpreisländer aufzunehmen. Indirekt warf Bergström Deutschland vor, auf diesem Wege von der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise Griechenlands profitieren zu wollen.

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