Spannende Wochen für die E-Card

Wie geht es weiter mit der elektronischen Gesundheitskarte? Der gerade anlaufende Basis-Rollout gilt in der Szene schon als abgehakt. Nächstes Etappenziel: Die zügige Umsetzung weiterer Funktionen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Die elektronische Gesundheitskarte ist in deutschen Praxen angekommen.

Die elektronische Gesundheitskarte ist in deutschen Praxen angekommen.

© Bernd Thissen / dpa

DÜSSELDORF. Der Basis-Rollout der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) verläuft bisher erstaunlich reibungslos.

Im Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht man davon aus, dass bis Jahresende 80 bis 85 Prozent aller Arztpraxen die für die eGK nötigen eHealth BCS Terminals besitzen.

Die bei der Medica 2011 vertretenen Hersteller von Kartenlesegeräten wie Celectronic oder Cherry dürften zufrieden sein. Klar ist auch, dass die Politik den Druck aufrecht erhalten will.

Die Rede ist von einer eGK-Ausgabequote von 70 Prozent bis Jahresende 2012. "Die Aufstockung ist noch Gegenstand des parlamentarischen Verfahrens", betont Nino Mangiapane vom BMG.

Im Moment beschäftigt sich der Gesundheitsausschuss des Bundestags damit.

Der Online-Update würde die Kosten wieder einspielen

Spannender ist die Frage, wie es weitergeht. Klar ist: Eine Karte die in den Produktionskosten bis zu zehnmal teurer ist als die bisherige KVK wird eingeführt, ohne zunächst einen Mehrwert zu bringen.

Mit dem angestrebten Online-Update der Versichertenstammdaten dürften sich die Mehrkosten problemlos einspielen lassen.

Allerdings scheitert eine schnelle Ausweitung der eGK-Anwendungen an der komplexen Infrastruktur aus eGK, elektronischem Arztausweis und Konnektor.

Verzögerung nicht ausgeschlossen

Der GKV-Verband wird hier sehr deutlich: Ein Wirkbetrieb in der bisher diskutierten Form sei erst 2016 möglich.

Verzögerungen um bis zu zwei Jahre werden nicht ausgeschlossen, wenn die drei prioritären eGK-Anwendungen (Stammdaten-Update, Kommunikation Leistungserbringer, elektronische Notfalldaten) wirklich - wie bisher geplant - zeitgleich fertiggestellt werden sollen.

Es ist deswegen verständlich, dass die Krankenkassen sich Gedanken gemacht haben, wie der Prozess beschleunigt werden könnte.

Unter dem Schlagwort "Alternative 2012" hat sie einen Vorschlag in die gematik, die eGK-Betreiberorganisation der Selbstverwaltung, eingebracht.

Darüber abgestimmt werden soll im Dezember. Vorher wird sich noch der Expertenbeirat äußern.

Test in zwei Regionen

Die Idee ist, zunächst ohne Arztausweis und Konnektor eine Online-Anbindung der Leistungserbringer umzusetzen, um das Versichertenstammdaten-Update zu ermöglichen.

Gegebenenfalls ließe sich dieses Einstiegsszenario auch für die Kommunikation der Leistungserbringer nutzen. Das Ganze soll 2012 in zwei Regionen getestet werden.

"Ab Zuschlag könnte dann im Prinzip nach einem halben Jahr Testphase der Rollout beginnen, sofern konsequent nur vorhandene Standardkomponenten eingesetzt werden", betont Martin Goedecke, Leiter Telematik im Gesundheitswesen bei der Deutschen Telekom, die sich bei der eGK schon seit vielen Jahren engagiert.

Positives Votum aus den Behörden

Die Anfangsinvestitionen für diesen Ansatz, der auf marktübliche (Sicherheits-) Standards aufsetzt, werden vom GKV-Verband auf vergleichsweise günstige 230 Millionen Euro für drei Jahre beziffert.

Danach könnten dann schrittweise die medizinischen Funktionen aufgesattelt werden. Die Krankenkassen schießen mit dem Vorschlag nicht ins Blaue.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und der Bundesdatenschutzbeauftragte sollen sich laut GKV-Verband positiv geäußert haben.

Ärzteschaft bleibt skeptisch

Allein: Die Ärzteseite fühlt sich etwas überfahren. Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, zuständig für die Kommunikation der Leistungserbringer, wird man deutlich: In der derzeit diskutierten Version lehne man die Alternative 2012 ab, so ein Sprecher zur "Ärzte Zeitung".

Vielleicht gelingt es aber doch noch, das sich andeutende Konfrontationsszenario aufzulösen. "Es geht darum, im Kreis der Gesellschafter zu überlegen, wie man den einen oder anderen Schritt schneller machen kann, ohne die anderen Projekte zu vernachlässigen", betont ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands.

"Wenn in einem wichtigen Projekt vorangegangen werden kann, dann sollte man das tun. Denn schließlich geht es um die Versorgung der Patienten und um möglichst wirtschaftliches Handeln im Interesse der Beitragszahler."

Die Industrie versucht, Bedenken zu zerstreuen

Industrieseitig wird eine zügige Einführung des Online-Updates grundsätzlich positiv bewertet: "Sich bei einem solchen Projekt schrittweise vorwärts zu bewegen, ist sinnvoll", sagt Pablo Mentzinis, eGK-Experte beim IT-Verband BITKOM.

Die Industrie versucht auch, Bedenken zu zerstreuen, wonach bei einem "abgespeckten" Einstiegsszenario die medizinischen Funktionen zu kurz kommen oder Kompromisse bei der Datensicherheit gemacht würden: "Das ‚Abspecken‘ bezieht sich nur darauf, dass die benutzten Komponenten Industriestandards entsprechen.

Das Sicherheitsniveau ist erheblich höher als bei den heute eingesetzten KV SafeNet-Lösungen. Und eine Erweiterung in Richtung elektronischer Notfalldaten ist mit begrenztem Zusatzaufwand jederzeit möglich", so Goedecke.

Wie schon öfter bei der eGK ist das Ganze wohl weniger ein technisches als ein politisches Problem. Die entscheidende Frage der nächsten Wochen ist nicht, was technisch geht, sondern ob sich die Beteiligten auf ein Prozedere einigen können, in dem sich alle wiederfinden.

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