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Familiencoach gibt Angehörigen von Krebspatienten Halt

Ist ein Familienmitglied oder ein anderer nahe stehender Mensch an Krebs erkrankt, bringt das viele Angehörige an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Der „Familiencoach Krebs“ hilft Familienmitgliedern und Freunden von Krebskranken dabei, sich selbst vor emotionaler, körperlicher oder sozialer Überlastung zu schützen.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:
Vor allem jüngere Angehörige von Krebspatienten sind dankbar für Unterstützungsangebote.

Vor allem jüngere Angehörige von Krebspatienten sind dankbar für Unterstützungsangebote.

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Leipzig. Der „Familiencoach Krebs“ ist seit Juni unter www.aok.de/familiencoach-krebs online und fügt sich in eine Reihe verschiedener Angebote ein, die die AOK für Menschen in besonders schwierigen Situationen im Internet zur Verfügung stellt.

„Angehörige sind mindestens ebenso stark psychisch belastet wie die Krebspatienten selbst, es besteht fast kein Unterschied“, erläutert die Leipziger Professorin Anja Mehnert-Theuerkauf. Sie leitet die Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie des Uniklinikums Leipzig, die den Familiencoach zusammen mit dem Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums und der AOK entwickelt hat.

„Der Verlust eines geliebten Menschen, etwa eines Kindes oder des Partners, wiegt schwer. Angehörige müssen das Familien- und Arbeitsleben unter einen Hut bringen, haben die Sorge und müssen mehr oder weniger zusehen, wie der geliebte Mensch leidet. Bei den meisten Patienten liegt der Fokus dagegen auf der Behandlung, sie können also etwas tun.“

Dass die seelischen Belastungen die größte Herausforderung darstellen, hat eine quantitative Befragung von 200 Angehörigen von Krebspatienten gezeigt, die bei der Konzeption des „Familiencoach Krebs“ durchgeführt worden ist. So gaben 67 Prozent der Befragten an, große Angst um ihren erkrankten Angehörigen zu haben, 62 Prozent fühlten sich „oft machtlos“. Jeder fünfte Befragte erklärte, schwierige Themen wie die Krebs-Diagnose oder die Angst vor dem Sterben nicht anzusprechen.

Gefragt: Infos zu Kassenleistungen

Besonders bei eher schlechteren Heilungsaussichten des Angehörigen sowie unter Jüngeren und Frauen ergab die Befragung ein hohes Interesse an einem Unterstützungsangebot wie dem „Familiencoach Krebs“. So konnten sich mehr als die Hälfte der Befragten vorstellen, dass ein solcher Onlinecoach ihnen helfen könnte, mit den Belastungen und Herausforderungen der Krebserkrankung eines nahe stehenden Menschen besser umgehen zu können.

Insbesondere zeigten die Angehörigen auch Interesse an medizinischen und organisatorischen Themen wie Leistungen der Kranken- und Pflegekassen und zu sozialrechtlichen Fragen. Die Erkenntnisse aus der Befragung sind in die Entwicklung des neuen Angebots eingeflossen. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts erkranken jährlich mehr als 500.000 Menschen in Deutschland an Krebs. Studien weisen darauf hin, dass bis zu 40 Prozent der Angehörigen Symptome von Depressionen und Angst entwickeln.

„Wir erleben in unseren Sprechstunden oft, dass sich Angehörige reinknien und wenig auf ihre Ressourcen achten“, sagt Mehnert-Theuerkauf. „Dabei muss man gerade in solchen Krisensituationen besonders auf sich achten. Um das zu vermitteln, ist der Coach da.“ Denn sowohl die Patienten selbst als auch die Angehörigen müssen in solchen Krisensituationen „in ihre Rolle reinwachsen“.

Mehnert-Theuerkauf: „Eine Patientin hat in der Sprechstunde zum Beispiel erzählt, dass Freunde und Bekannte nach ihrer Erkrankung immer gefragt haben, wie es ihr geht. Das hat sie genervt. Aber wenn sie nicht gefragt wurde, hat sie die Anteilnahme vermisst. Das ist ein ständiges Ausbalancieren, ein Aushandeln. Das trifft auch auf die Angehörigen zu, die lernen müssen, mit der Situation umzugehen.“

Lernen, um Hilfe zu bitten

Hier kommt der Familiencoach mit seinem breiten Themenspektrum ins Spiel: Das Unterstützungsprogramm zeigt, wie wichtig die Selbstfürsorge ist, etwa, indem sich Angehörige Zeit für Sport oder Entspannung nehmen. „Wir sehen in der Beratungsstelle häufiger auch Paare, bei denen der Partner des Erkrankten auf dem Zahnfleisch geht“, berichtet Mehnert-Theuerkauf. „Auch wenn man viel tut, kann sich ein schlechtes Gewissen melden.“

In so einem Dilemma steckten viele Angehörige. Deshalb habe das Uniklinikum Leipzig eine Krebsberatungsstelle mit niedrigschwelligen Angeboten für Patienten und Angehörige angegliedert. Hier könne jeder kommen, „ohne Barriere“. Auch der „Familiencoach Krebs“ vermittele den Ratsuchenden, „dass sie nach Hilfe fragen dürfen, das ist schließlich auch eine soziale Kompetenz“.

Als einen „Coach für die Tasche“ empfiehlt sie etwa den Einführungsfilm des Unterstützungsprogramms. Schon hier werde ein Perspektivwechsel angeregt. „Die Krankheit wirkt manchmal wie ein Fernrohr. Die Sicht ist eingeschränkt auf die Erkrankung, man bekommt einen Tunnelblick. Um Kraft schöpfen zu können, kommt es aber darauf an, auch wieder das Leben um die Erkrankung herum in den Fokus zu nehmen, zu dem auch positive Dinge und Freude gehören. Es gibt so viele Dinge, die man tun kann. Und durch das Tun verringern sich depressive Verstimmungen, man bekommt einen Sinn im Leben und positive Rückmeldung.“

Zum kostenfreien Familien-Coach: www.aok.de/familiencoach-krebs

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