Kooperation | In Kooperation mit: AOK-Bundesverband

WIZen-Projekt

„Oft werden die Symptome von Krebspatienten unterschätzt“

Warum braucht es bei der Versorgung von Krebspatienten ein ambulantes Netzwerk? Das erläutert die Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren, Professorin Monika Klinkhammer-Schalke, im Interview.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:
Krebstherapie: Derzeit wird nur etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten in zertifizierten Zentren versorgt,

Krebstherapie: Derzeit wird nur etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten in zertifizierten Zentren versorgt,

© RFBSIP / stock.adobe.com

Frau Professorin Klinkhammer-Schalke, wie sind die Ergebnisse des WIZen-Projektes aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT) zu bewerten?

Professorin Monika Klinkhammer-Schalke: Für die Arbeitsgemeinschaft ist das ein wichtiger Meilenstein. Durch dieses Projekt ist es durch die Vernetzung der einzelnen Partner gelungen, einen bedeutsamen Schritt zur Verbesserung der Versorgung von Krebspatienten auf den Weg zu bringen.

Wir konnten gemeinsam mit dem Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung und dem Wissenschaftlichen Institut der AOK zeigen, dass die Behandlung in zertifizierten Zentren der Deutschen Krebsgesellschaft ein signifikant besseres Überleben ermöglicht im Vergleich zur Behandlung in Nicht-Zentren.

Professorin Klinkhammer-Schalke

Prof. Monika Klinkhammer-Schalke ist Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren e.V.

© Foto Daniel

Welche Schlüsse lassen sich aus den Ergebnissen des Projektes „WiZen“ für die Krebsversorgung in den deutschen Klinken ziehen?

Wir sollten in Zukunft unbedingt Wege finden, dass wir die Behandlungen in zertifizierten Zentren regelhaft empfehlen und voranbringen. Der Vorteil ist, dass hier alle an der Behandlung eines Krebspatienten beteiligten Fachrichtungen eng zusammenarbeiten. Neben Chirurgen, Radioonkologen, Pathologen, Experten für die medikamentöse Tumortherapie ebenso wie auch Experten aus weiteren nicht medizinischen Fachdisziplinen, wie zum Beispiel Psychoonkologen.

Die Zentren werden jährlich auditiert. Sie müssen nachweisen, dass sie die fachlichen Qualitätskriterien für die Behandlung einer Tumorerkrankung erfüllen und zudem über ein etabliertes Qualitätsmanagementsystem verfügen.

Die Anforderungen sind in Erhebungsbögen mit einzelnen Kennzahlen zusammengefasst, die in interdisziplinären Kommissionen erarbeitet und regelmäßig aktualisiert werden. So erreichen die Zentren den höchsten aktuellen Standard des Wissens durch die zeitnahe Aufnahme beispielsweise neuer Therapieempfehlungen in die Erhebungsbögen, die bei der nächsten Zertifizierung sofort aufgezeigt werden muss. Dieser Mechanismus ist für die erkrankten Menschen sehr wichtig.

Man kann also sagen, dass der Qualitätszyklus und die Ziele des Handlungsfeldes 2 des Nationalen Krebsplans durch diese Studie abgebildet und bestätigt wurden. Es wurde nachgewiesen, wie wichtig eine Datenzusammenführung aus Daten der Krankenkassen und Klinischen Krebsregister für die Beantwortung wesentlicher Fragen der Versorgung ist.

Und wie kommt das Wissen über die Vorteile der Behandlung in den Zentren zu den Patienten?

Derzeit wird nur etwa die Hälfte der Patienten in zertifizierten Zentren behandelt. Deren bessere Ergebnisse müssen einfach noch viel bekannter gemacht werden. Dafür brauchen wir die niedergelassenen Kollegen. Der Hausarzt ist der erste Ansprechpartner der Patienten in dieser Situation. Deshalb ist auch die Zusammenarbeit der Zentren mit den Fach- und Hausärzten extrem wichtig für die Patienten.

Schließlich sollte sich ein Patient mit der Diagnose Krebs in ein sicheres Netz fallen lassen können. Da sprechen wir nicht nur über den medizinischen Bereich wie das Krankenhaus, das zertifizierte Zentrum, in dem er behandelt wird. Wir sprechen auch über Physiotherapeuten, Psychoonkologen, Sozialarbeiter. Was passiert, wenn jemand durch die Chemotherapie so geschwächt ist, dass er Unterstützung im Haushalt braucht?

Auch Schuldenberater könnten notwendig werden, zum Beispiel, wenn eine alleinerziehende Mutter wegen der Krebsdiagnose längere Zeit nicht arbeiten gehen kann und nicht weiß, wie sie den Lebensunterhalt bestreiten soll. Wesentlich ist es deshalb, dass Patienten durch ihren behandelnden Arzt einen möglichst schnellen Zugang zu Zentren erhalten. Für die Wahl der für sie richtigen Klinik brauchen sie die richtigen Informationen und leicht verständlichen Rat.

Die Lebensqualität der Betroffenen könnte durch eine gute Vernetzung der Kliniken mit dem ambulanten Bereich und durch gezielte Unterstützungsangebote deutlich verbessert werden.

Wie stellen Sie sich eine regionale Zusammenarbeit zwischen Kliniken und insbesondere zwischen zertifizierten Zentren vor?

Wie gesagt, wir brauchen zertifizierte Zentren und ein ambulantes Netzwerk. Bisher ist das leider noch nicht überall gegeben. Dabei könnte die Lebensqualität der Betroffenen durch eine gute Vernetzung der Kliniken mit dem ambulanten Bereich und durch gezielte Unterstützungsangebote deutlich verbessert werden.

Aus Studien, zum Beispiel bei Darmkrebs, wissen wir inzwischen, dass Behandler die Symptome ihrer Patienten oft unterschätzen. Deshalb geht es auch darum, den Unterstützungsbedarf der Patienten besser einschätzen zu können. Ein regelmäßiges Monitoring, zum Beispiel des Patient-Reported Outcome, kann außerdem die Überlebensqualität deutlich verbessern.

Wie können entsprechende regionale Netzwerke gebildet werden?

Solche regionalen Netzwerke gibt es schon in vielen Bereichen. Über gemeinsame Fortbildungen ergeben sich Kontakte und Chancen für eine enge Zusammenarbeit. Zum Beispiel, wenn zertifizierte Zentren vor allem ältere Patienten nicht direkt nach Hause entlassen, sondern zur weiteren Versorgung in kleinere regionale Häuser schicken. Darin liegt eine Stärke.

Nicht alle Kliniken können sich zertifizieren lassen, aber kleinere Häuser und zertifizierte Zentren können Hand in Hand arbeiten. In Brandenburg gibt es beispielsweise ein klinisches Register, das auch nicht zertifizierte Häuser in die Qualitätszirkel einbezieht. So werden alle in ihrer Qualität mit gehoben.

Eine Besonderheit des Projekts war, dass hier erstmals versorgungsnahe Daten der Krankenkassen von rund einer Million Patienten in Bezug zu Krebsregisterdaten gesetzt und ausgewertet werden konnten. Welche Folgerungen sehen sie für Kooperationen zwischen den Krebsregistern und den Krankenkassen?

Ich halte solche Kooperationen für extrem wichtig. Es kann nicht jede Institution alles machen. Deshalb müssen wir unsere Daten, unsere Kräfte und unser Wissen bündeln, also zum Beispiel Krebsregisterdaten mit den Daten der Krankenkassen. Das ist ein enormer Datenschatz, der für eine bessere Behandlung der Patienten genutzt werden kann und sollte.

Durch die risikoadjustierte Analyse einer bundesweiten Kohorte und den Vergleich der Kassendaten mit den Krebsregister-Daten stärken wir die Evidenz für den Nutzen der Zentrumsbehandlung. Zugleich liefert das Projekt eine Blaupause für das künftige Monitoring der onkologischen Versorgung in Deutschland.

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