Heilmittelbericht

Schulanfänger werden seltener therapiert

Bei mehr als jedem dritten Schulanfänger wurde 2017 eine Entwicklungsstörung diagnostiziert. Eine Heilmittelverordnung erhielt aber nur jeder Sechste, so der Heilmittelberichts der AOK. Laut Institut nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:

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BERLIN. Mehr Diagnosen, aber eher rückläufige Heilmittelverordnungen: Um 26,5 Prozent ist die Zahl der diagnostizierten Entwicklungsstörungen bei den Schulanfängern in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Wurde im Jahr 2008 noch 27,5 Prozent der fünf- bis siebenjährigen Kinder eine Entwicklungsstörung bescheinigt, lag dieser Anteil 2017 schon bei 34,8 Prozent.

Gleichzeitig legte der Anteil der Schulanfänger, die eine Logo- oder Ergotherapie erhalten haben, aber nur um 8,2 Prozent zu: von 15,6 Prozent in 2008 auf 16,9 Prozent in 2017. Bundesweit ist die Zahl der verordneten Therapien seit 2015 sogar leicht rückläufig. Das ist das zentrale Ergebnis des aktuellen Heilmittelberichts des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).

Eine Entwicklung, die das Wissenschaftliche Institut aber nicht unbedingt negativ wertet: „Die Schere zwischen der steigenden Diagnosehäufigkeit von Entwicklungsstörungen und der Verordnung von Heilmitteltherapien ist ein positives Zeichen dafür, dass Ärzte sehr genau hinschauen, wie sich ein Kind rund um die Einschulung entwickelt und wann es therapeutische Begleitung braucht“, sagt Helmut Schröder, stellvertretender WIdO-Geschäftsführer.

Moderater Aufwärtstrend

Dabei erreichte der Anteil der Verordnungen laut der WIdO-Auswertung in den Jahren 2011 bis 2015 mit bis zu 17,9 Prozent bundesweit seinen Gipfel und ist seitdem wieder gesunken. Dennoch ist im Zehnjahresvergleich ein Wachstum zu verzeichnen. Spitzenreiter ist dabei Hamburg, dort haben die verordneten Sprach-, Sprech- und Ergotherapien bei den Schulanfängern um über 44 Prozent im Vergleich zu 2008 – auf aber dennoch moderate 16 Prozent – zugelegt.

Drei Bundesländer scheren aus diesem insgesamt positiven Wachstumstrend allerdings aus: Bayern, Schleswig-Holstein und das Saarland. Im Zehnjahresvergleich ist die Zahl der verordneten Therapien in Bayern etwa um 10,7 Prozent auf eine Quote von 13,3 Prozent zurückgegangen, während die Zahl der Diagnosen um ein Fünftel auf 36 Prozent gestiegen ist. Im Saarland beträgt der Rückgang der Verordnungen zwischen 2008 und 2017 sogar 18 Prozent. In Schleswig-Holstein ist die Verordnungsquote dagegen nur leicht von 19,7 auf 19,4 Prozent gesunken (minus 2 Prozent).

Anforderungen wandeln sich

Unklar ist laut Schröder, ob die gestiegene Rate an dokumentierten Entwicklungsstörungen tatsächlich auf einen verschlechterten Entwicklungsstand der Kinder zurückzuführen ist. „Gleichzeitig wandeln sich die Anforderungen von Schule und Elternhaus an die Kinder sowie das ärztliche Diagnoseverhalten und die Therapiemöglichkeiten“, sagt er.

Dabei wird bei Jungen deutlich häufiger eine Entwicklungsstörung diagnostiziert als bei Mädchen: 2017 waren es bei den Jungen 41,3 Prozent, bei den Mädchen hingegen nur 27,9 Prozent. Auch bei der Therapie zeichnet sich ein Ungleichgewicht ab: Während 10,7 Prozent der fünf- bis siebenjährigen Mädchen eine Logopädie oder Ergotherapie erhielten, waren es bei den gleichaltrigen Jungen 17,8 Prozent.

Ein Trend, der sich übrigens übers ganze Kindesalter hinweg zeigt. 60 Prozent der AOK-Heilmittelpatienten im Kindesalter bis einschließlich 14 Jahren waren 2017 Jungen. Während die Rate über alle Altersgruppen hinweg verdeutlicht, dass im Erwachsenenalter eher die Frauen Heilmittelbehandlungen in Anspruch nehmen: Nicht ganz zwei Drittel aller AOK-Heilmittelpatienten im Jahr 2017 waren immerhin weiblich.

Von den insgesamt 3,5 Millionen bei der AOK versicherten Kinder bis einschließlich 14 Jahren erhielten 2017 übrigens rund 397.500 mindestens eine Heilbehandlung. Hierbei durchliefen allein die rund 100.600 Schulanfänger zusammen rund 2,47 Millionen Behandlungssitzungen – damit kam jeder der jungen Patienten im Schnitt auf 24,6 Behandlungen.

Ein Grund fürs WIdO, noch einmal darauf hinzuweisen, dass junge Kinder gerade beim Übergang vom Kindergarten in die Grundschule nicht zu stark belastet werden sollten. „Obwohl Sprach- und Ergotherapien Kindern helfen können, Defizite in der kindlichen Umwelt zu bewältigen, sollten die Möglichkeiten von Elternhaus, Kindergärten und Schulen beim Vorbeugen von Entwicklungsstörungen nicht unterschätzt werden“, lautet der Appell von Helmut Schröder.

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