Cannabis-Eigenanbau statt Privatrezept

So könnte der „Medizinisches Cannabis Social Club“ funktionieren

Drei Fraktionen, ein Ansinnen: Der Mannheimer Gesundheitsausschuss soll ausloten, wie die Chancen für Patienten auf Cannabisanbau als Alternative zum teuren Privatrezept stehen. Einblick in das Konzept.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
In einem „Medizinischen Cannabis Social Club“ bauen Patienten mit Hilfe von Experten Cannabis in Eigenregie an und bekommen gegen Vorlage eines ärztlichen Rezeptes die Blüten zum Selbstkostenpreis, so das Modell.

In einem „Medizinischen Cannabis Social Club“ bauen Patienten mit Hilfe von Experten Cannabis in Eigenregie an und bekommen gegen Vorlage eines ärztlichen Rezeptes die Blüten zum Selbstkostenpreis, so das Modell.

© Ivan Stajkovic / Zoonar / picture alliance

Mannheim. Für die Fraktionen der Grünen, der SPD sowie der LI.PAR.Tie (Linke/Partei/Tierschutzpartei) im Mannheimer Gemeinderat steht eines fest: Gesetzlich versicherte Krebs- und Schmerzpatienten, denen kassenseitig ein ärztliches Cannabisrezept nicht genehmigt wird, sollen nicht weiter in die Illegalität getrieben und kriminalisiert werden.

Im Gesundheitsausschuss des Mannheimer Gemeinderates sind vor Kurzem die getrennten Anträge der drei Fraktionen auf Einrichtung eines „Medizinischen Cannabis Social Club“ (MCSC) im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung gemäß Paragraf 3 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes diskutiert worden.

Premiere in Deutschland

Sollte der MCSC realisiert werden können, wäre dies in Deutschland eine Premiere. Die Idee dabei ist, dass Menschen zusammen Cannabis anbauen und zum Selbstkostenpreis gegen Vorlage eines Rezepts erhalten können. Der Mannheimer Gesundheitsbürgermeister Dirk Grunert (Grüne) begrüßt den Vorstoß, wie er im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ betont.

„Grundsätzlich befürworten wir aus fachlicher Sicht die medizinische Verordnung und Verwendung von Cannabis zur Sicherung einer adäquaten Behandlung von Schwerstkranken und Schmerzpatienten gemäß des kassenärztlichen Genehmigungsverfahrens und setzen uns dafür ein, Menschen, die gesundheitliche Unterstützung benötigen, zu helfen. Hinsichtlich der Anträge werden wir zunächst mit den entsprechenden Fachgremien und Akteuren vor Ort wie der Kommunalen Gesundheitskonferenz und dem Runden Tisch Drogen eine differenzierte Prüfung der komplexen Problemlagen vornehmen, was einige Zeit in Anspruch nehmen wird“, verdeutlicht Grunert.

Viele Anträge werden von Kassen abgelehnt

In ihrem Antrag weist die LI.PAR.Tie-Fraktion darauf hin, dass die Zulieferstruktur für Cannabis noch immer problematisch sei. „Nur wenige Ärzte sind bereit, entsprechende Rezepte zu schreiben und Anträge bei Krankenkassen zu verfassen. Denn auch für sie ist damit viel Aufwand bei minimaler Vergütung und einer hohen Wahrscheinlichkeit der Ablehnung verbunden“, heißt es mit Verweis auf Zahlen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das für die Genehmigung der Cannabiseinfuhren zuständig ist.

Kassen lehnten mehr als 40 Prozent der Anträge durch Ärzte ab, „wodurch vielen Patienten und Patientinnen nur ein teures Privatrezept oder der Schwarzmarkt bleibt. Auch Apotheken können dem Bedarf oft nicht nachkommen, da die entsprechende Lieferstruktur und Verarbeitung nicht ausreichend ausgebaut sind“, so die LiPAR.Tie.

Etwa sieben Euro pro Gramm Cannabisblüten vom MCSC

Die Fraktion argumentiert in ihrem Antrag auch mit konkreten Preisangaben: „Cannabisblüten auf Privatrezept kosten 15 bis 25 Euro pro Gramm. Unter Berücksichtigung der Betriebskosten könnte ein Club intern für circa sieben Euro pro Gramm Cannabisblüten ausgeben. Damit schlägt der selbstverwaltete Club auch den Schwarzmarkt mit Preisen ab zehn Euro pro Gramm.

So kann dem Schwarzmarkt zumindest für diese Nutzergruppe entgegengewirkt werden. Menschen, die sich die Kosten von Cannabis per Privatrezept nicht leisten können, sind dann nicht auf den Schwarzmarkt angewiesen.“

Gesundheitsbürgermeister Grunert warnt indes vor Euphorie. Es gelte zunächst, die Bedarfslage für Mannheim genauer zu eruieren sowie den konkreten Lösungsvorschlag der Einrichtung eines MCSC im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung gemäß Paragraf 3 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes zu prüfen.

Bürgermeister warnt vor Euphorie

„Da der in den Anträgen beschriebene medizinische Missstand jedoch vordergründig ein systemisches Versorgungsproblem ist, dessen Ursprung und Zuständigkeiten auf Bundes- und Landesebene – BfArM respektive KV Baden-Württemberg – zu verorten sind, wäre dort ein entsprechender Diskurs einzuleiten“, so Grunert.

Er verweist zudem auf die vom BfArM koordinierte staatliche Cannabisagentur, die für den Anbau und Vertrieb von medizinischem Cannabis zuständig ist, selbst aber keinen Medizinalhanf anbaut.

Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Muskeltonus wieder ins Gleichgewicht bringen

© mantinov / stock.adobe.com

Muskulär bedingte Schmerzen

Muskeltonus wieder ins Gleichgewicht bringen

Kooperation | In Kooperation mit: Trommsdorff GmbH & Co. KG
Den Schmerz an der Wurzel packen

© [M] pololia / stock.adobe.com | Mara Zemgaliete / stock.adobe.com

Muskelverspannung

Den Schmerz an der Wurzel packen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Trommsdorff GmbH & Co. KG
Einsatz von Pridinol bei muskulär bedingtem Rückenschmerz

Experten-Workshop

Einsatz von Pridinol bei muskulär bedingtem Rückenschmerz

Kooperation | In Kooperation mit: Trommsdorff GmbH & Co. KG
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: APPULSE-PNH-Studie: Hämoglobin-Werte und ARC während des 24-wöchigen Studienzeitraums

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)

Nach Umstellung auf Iptacopan: Hämoglobin-Wert klinisch relevant verbessert

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Tab. 1: Im Rahmen des Ringversuchs eingesetzte Anti-Claudin-18.2-Antikörperklone: Erfolgsraten und Problemanalyse. Berücksichtigt wurden Antikörper, die in 2 Laboren verwendet wurden

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Adenokarzinom des Magens/gastroösophagealen Übergangs

Claudin-18.2-Testung – wichtige Aspekte in der Praxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Astellas Pharma GmbH, München
Wirksamkeit der TTFields-Therapie

© Novocure

Arztinformation – Metastasiertes NSCLC und Mesotheliom

Wirksamkeit der TTFields-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novocure GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Wann kommt welches Medikament in Frage?

Neue Psoriasis-Leitlinie bringt praxisrelevante Neuerungen

Lesetipps
Ein junger Mann hält sich die Hände auf die Brust.

© underdogstudios / Fotolia

Inflammatorisches myoperikardiales Syndrom

Myokarditis und Perikarditis: Das empfiehlt die neue ESC-Leitlinie

Patienten, die besonders gesundheitlich gefährdet sind, sollten im Herbst eine Auffrischung gegen COVID-19 erhalten.

© fotoak80 / stock.adobe.com

Comirnaty® nur in Mehrdosisflaschen

Bund hat geliefert: Start frei für COVID-19-Auffrischimpfungen