Die EU wächst - Ärzte zieht es in den Westen

Im Mai 2004 werden zehn neue Mitgliedsstaaten in die EU aufgenommen. Viele Bürger fürchten die Konsequenzen, denn die meisten der neuen Mitglieder sind wirtschaftsschwache Länder aus Osteuropa.

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Junge Tschechen feierten die Aufnahme in die EU mit einem Konzert in der Prager Altstadt.

Junge Tschechen feierten die Aufnahme in die EU mit einem Konzert in der Prager Altstadt.

© Sterba/dpa

Europa, am 1. Mai 2004. Ist immer größer und immer weiter auch gleich immer besser?

Diese Frage stellen sich viele Einwohner der Europäischen Union schon lange vor dem 1. Mai 2004, an dem die Gemeinschaft um zehn weitere Mitgliedsstaaten wächst.

Die Vorbehalte sind nachvollziehbar, denn zu den Neumitgliedern zählen vor allem wirtschaftsschwache Länder aus dem europäischen Osten.

Große Sorgen in Deutschland machten sich Handwerksbetriebe, die Billigkonkurrenz aus dem Osten fürchteten, auch wenn Deutschland die Möglichkeit nutzte, den Arbeitsmarkt für Zuwanderer aus dem Osten zunächst noch für sieben weitere Jahre abzuschotten.

Auch im deutschen Gesundheitswesen wurde die Osterweiterung mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Einerseits bestand die Hoffnung, den sich immer stärker abzeichnenden Ärztemangel vor allem in Ostdeutschland mit Ärzten aus den neuen Mitgliedstaaten besser in den Griff zu bekommen.

Andererseits betrachtete der damalige Präsident der Bundesärztekammer eine solche Entwicklung differenziert.

Sorgenfalten in der Ärzteschaft

In einem Gastbeitrag für die "Ärzte Zeitung" äußerte Professor Jörg-Dietrich Hoppe die Sorge, dass immer mehr Ärzte ihre Heimatländer verlassen und so die medizinische Versorgung der Bevölkerung schwächen würden.

Mit seiner Prognose lag er nicht falsch. Zuletzt drangen Ende 2010 Nachrichten von einer groß angelegten Kündigungswelle tschechischer Ärzte nach Deutschland. Sie drohten damit auszuwandern, wenn ihre Gehälter nicht erheblich erhöht würden.

Aus ihrer Sicht verständlich, denn wenige Wochen zuvor hatten auf einer Jobmesse in Prag 32 deutsche Kliniken und eine österreichische um tschechische Ärzte geworben.

Den 5000 tschechischen Medizinern, die die Messe besuchten, wurden Monatsgehälter zwischen 3700 und 4500 Euro angeboten. Ihr Verdienst in der Heimat lag, unzählige Überstunden eingerechnet, bei etwa 2000 Euro.

Die ganz große Auswanderungswelle konnte allerdings gestoppt werden, nachdem sich Ärztegewerkschaft und Regierung auf eine Gehaltsanhebung von 15 Prozent geeinigt hatten.

Fakt ist, der Zuzug von Ärzten aus den osteuropäischen EU-Staaten nach Deutschland hält seit Jahren an. So registrierte die Bundesärztekammer Ende 2011 über 2000 Kollegen aus Rumänien, das entsprach einer Steigerung zum Vorjahr um 40,8 Prozent.

Tschechische Ärzte waren zu diesem Zeitpunkt 659 in Deutschland beschäftigt (+ 39,9 Prozent) sowie 927 bulgarische Ärzte (+ 20,4 Prozent und 1636 Polen (+ 5,5 Prozent). (chb)

Die Geschichte der Europäischen Union

1951 Die Beneluxstaaten, die BRD, Frankreich und Italien schließen sich zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zusammen

1957 Die EGKS-Staaten legen mit den römischen Verträgen die Grundlage für die vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

1965 Ein Vertrag besiegelt, dass es nur noch einen Rat und eine Kommission für die drei Verbünde gibt: für die EWG, die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) und die EGKS

1973 Dänemark, Irland und Großbritannien treten der EWG bei

1979 Erstmals werden Abgeordnete des Europäischen Parlaments direkt gewählt

1981 Mit dem Beitritt Griechenlands beginnt die Süderweiterung der EWG

1986 Spanien und Portugal werden Mitglied der EWG

1987 Mit der Einheitlichen Europäischen Akte beschließt die EWG, bis 1992 einen Binnenmarkt aufzubauen

1992 Im Vertrag von Maastricht wird die Europäische Union gegründet. Beschlossen wird die Schaffung einer gemeinsamen Währung

1993 Zum 1. Januar fallen die innergemeinschaftlichen Grenzen, der Binnenmarkt ist verwirklicht

1995 Mit dem Beitritt Finnlands, Schwedens und Österreichs wächst die EU auf 15 Staaten

1998 Verhandlungen mit den zehn Beitrittsstaaten werden aufgenommen

2002 In zwölf Staaten wird der Euro eingeführt

1. Mai 2004 Die EU wird um zehn weitere Mitglieder erweitert

1. Januar 2007 Bulgarien und Rumänien treten der EU bei

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