Erste Herzschrittmacher-OP vor genau 50 Jahren

Vor 50 Jahren implantierte ein mutiger Mediziner den ersten Herzschrittmacher in Deutschland. Es war ein Durchbruch, der dem heute 86-jährigen Pionier damals gelang. Aktuell leben eine Million Menschen bundesweit mit und dank Schrittmachern.

Von Yuriko Wahl-Immel Veröffentlicht:
Pionier vor 50 Jahren: Heinz-Joachim Sykosch.

Pionier vor 50 Jahren: Heinz-Joachim Sykosch.

© Vennenbernd / dpa

DÜSSELDORF. Am 6. Oktober 1961 setzt sich der junge Chirurg Heinz-Joachim Sykosch über den Willen seines Chefs hinweg - und wird damit Medizingeschichte schreiben. Er implantiert in Düsseldorf einem 19-jährigen Unfallopfer einen Herzschrittmacher.

"Und ich wurde gefeuert"

Ein ungeheueres Wagnis, das vor ihm niemand zuvor in Deutschland riskiert hat. Der Patient überlebt, steht schon kurz nach der OP auf. "Und ich wurde gefeuert", erzählt der heute 86-jährige Pionier. Aber der geglückte Eingriff macht Furore, Sykosch wird schnell wieder eingestellt.

Bis zu seinem Ruhestand 1990 setzt er mehr als 8000 Schrittmacher ein. Ein rasanter technischer und medizinischer Fortschritt kommt in Gang, von dem bundesweit mehr als eine Million Menschen profitieren.

"Mein Chef hatte gesagt, ich soll den Mann in Frieden sterben lassen", erinnert sich Sykosch. "Aber ich hatte von der Entwicklung eines erstmals vollständig implantierbaren Schrittmachers in den USA gehört.

240 Gramm und zwei Jahre Batterielaufzeit

Das Gerät habe ich bekommen und es hat funktioniert. Dieser erste Schrittmacher, den ich danach noch einige hundertmal implantiert habe, wog 240 Gramm, und die Batterien hielten etwa zwei Jahre lang." Heute sind die Minis Federgewichte mit dem Durchmesser eines größeren Mantelknopfes und halten acht bis zehn Jahre.

Der junge Assistenzarzt findet keine Ruhe. "Es hat mich gestört, dass der Schrittmacher permanent geschlagen hat, auch wenn der Patient selber zwischendurch einen ordentlichen Puls hatte", sagt Sykosch.

Vorläufer des "Demand"-Schrittmachers

Gemeinsam mit Tüftlern entwickelt er ab 1963 den "R-Wellen-Simulator" - ein Gerät, das dem Herzen nur Impulse gibt bei wirklichem Bedarf. Der Vorläufer des "Demand"-Schrittmachers, der bis heute verwendet wird, der Strom spart und deshalb länger hält.

Das Patent schnappt sich damals allerdings ein Amerikaner. Daran hatte der Düsseldorfer Enthusiast gar nicht gedacht. Auch das bis heute übliche Einbetten der Batterien in eine Metallkapsel hat Sykosch mit auf den Weg gebracht und erprobt.

Blick auf einen historischen Herzschrittmacher (hinten) und ein aktuelles Modell.

Blick auf einen historischen Herzschrittmacher (hinten) und ein aktuelles Modell.

© Vennenbernd/dpa

Derzeit tragen rund eine Million Menschen in Deutschland und fünf Millionen weltweit einen Herzschrittmacher, erklärt Experte Professor Berndt Lüderitz. Meistens wird das Gerät zur Stimulation eines krankhaft langsamen Pulses eingesetzt.

"Es sind eindeutig ältere Menschen über 50, 60 Jahre, die von den Schrittmachern profitieren. Da die Lebenserwartung weiter steigt, werden auch immer mehr Kranke wegen eines Herzschrittmachers in die Kliniken kommen."

"Die Patientin lebt noch heute gut damit."

Schon in rund 1000 Krankenhäusern werde die OP inzwischen durchgeführt, manchmal ambulant. Seltener sind Kinder mit angeborenem Herzfehler darunter. Sykosch hat neun Kinder operiert, das jüngste war neun Monate alt: "Die Patientin lebt noch heute gut damit."

"Dass komplette Systeme unter die Haut gelegt wurden, die keine Verbindung von außen brauchten, war wirklich neu", betont Lüderitz von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. "1958 war die weltweit erste Implantation in Stockholm durchgeführt worden.

1961 folgte die erste in Deutschland von Sykosch, im Zusammenwirken mit dem Kardiologen Sven Effert. Das war ein großer Durchbruch, denn die Menschen waren vorher nicht zu retten, gegen einen zu niedrigen Herzschlag war kein Kraut gewachsen."

Fein-Schweißen lernen beim Juwelier

Der Stockholmer Schrittmacher hielt aber nur drei Stunden durch. Auch im Düsseldorfer Fall kam es später zu Komplikationen. Die beiden Elektroden in Rippenbogen-Höhe brachen. Sykosch ließ sich von einem Juwelier das Fein-Schweißen beibringen.

"Es ist mir dann tatsächlich geglückt, in einer weiteren OP die zwei Enden zusammenzuschweißen." Sein Patient wurde 45 Jahre alt - er starb an einem Nierenleiden.

Der Eingriff: Unterhalb des Schlüsselbeins implantiert der Chirurg ein Mini-Aggregat mit Batterie, von dem aus Elektroden über die Venen ins Herz führen. Die Batterien werden in einer kleinen OP nach einigen Jahren ausgewechselt.

"Früher gab es Infektionen, Entzündungen oder Elektroden-Brüche und vieles mehr. Heute haben wir ein sehr sicheres Verfahren praktisch ohne Komplikationen", sagt Lüderitz: "Der elektrische Herzschrittmacher ist eine wahre Erfolgsgeschichte, weil er vorher nicht behandelbare Menschen in eine normale Lebensqualität und zu einer normalen Lebenserwartung führt." (dpa)

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