"Horrorjobs" auf Probe

Was erlebt ein Sexshop-Mitarbeiter bei der Arbeit? Wie ergeht es einer Klofrau? Und was zeichnet einen Sargträger aus? Ein 36-jähriger Berliner kennt die Antworten. Er hat solche besonderen Aushilfsjobs getestet.

Von Antonia Lange Veröffentlicht:
Tobias Kurfer aus Berlin hat in den Aushilfsjobs viel fürs Leben gelernt.

Tobias Kurfer aus Berlin hat in den Aushilfsjobs viel fürs Leben gelernt.

© dpa

BERLIN. Tobias Kurfer hat es vom Tellerwäscher zum Sargträger gebracht. Klomann ist er auch geworden, ebenso wie Sexshop-Aushilfe. Und Autor. Denn der 36-Jährige hat über seine Erfahrungen in solchen Aushilfsjobs ein Buch geschrieben.

In "Horrorjobs - wie ich mich probehalber ausbeuten ließ" (Fischer) beschreibt der Wahlberliner die Arbeit in Berufen, von denen als Kind wohl niemand geträumt hat. Warum man sich sowas antut? "Ich fand das einfach spannend", sagt Kurfer. "Wie eine Parallelwelt."

Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge arbeiten mehr als zehn Millionen Deutsche in Teilzeitjobs. Für jeden Fünften ist das eine Notlösung, weil er keine Vollzeitstelle findet.

Kurfer ist für Mindestlohn

Die Klofrau, mit der Kurfer sich eine Schicht teilte, hingegen hat einen Vollzeitjob, wie er erzählt. Weil das Geld als Erzieherin aber nicht reicht, geht sie nach getaner Arbeit noch Toiletten schrubben. Früher habe Kufer einer Klofrau ab und an keine 50 Cent hingelegt - "wahrscheinlich passiert mir das so schnell nicht wieder."

Also ein Plädoyer für Mindestlohn? "Selbstverständlich", sagt er. "Ich finde, dass Mindestlohn als Zeichen wichtig und richtig wäre."

Auch er selbst hat im Niedriglohnsektor Erfahrung. Privat arbeitete der gebürtige Bayer schon in gut zwanzig verschiedenen Nebenjobs. Mittlerweile ist er Journalist. Als Tellerwäscher & Co verdingt er sich nur noch, um darüber zu schreiben.

Fußballmaskottchen, Kinderanimateur, Erschrecker in der Geisterbahn oder Museumswärter. Die Liste von Kurfers "Horrorjobs" ist lang. Die Definition liege aber im Auge des Betrachters, betont er.

"Wenn Sie fanatischer Fußballfan sind, kann auch der Fußballmaskottchen-Job die Erfüllung sein." Er selbst fand es eher anstrengend: "Sie sehen nichts, Sie hören nichts, Sie stolpern ständig über Ihre eigenen Füße."

Nackter Mann im Sexshop

Besonders kurios wurde es für den 36-Jährigen im Sexshop. "Um zehn Uhr morgens war da die Hütte voll - und damit meine ich nicht den Shop, sondern das Kino." Ein Gast laufe manchmal den ganzen Tag nackt durch den Laden. "Es gibt Männer, die ziehen vormittags an einem Wochentag eine Tageskarte, verbringen dort Stunden, gehen kurz essen, und kommen dann wieder zurück."

Welche Arbeit die Schlimmste ist, da will sich Kurfer nicht festlegen. An der Redensart "Vom Tellerwäscher zum Millionär" sei zumindest nichts dran. "Das hat nichts mit der Realität zu tun." Aber: "Jeder Job kann ein Horrorjob sein, wenn Sie einen Vorgesetzten haben, der Sie gängelt. Oder wenn Sie Kollegen haben, die Sie mobben."

Während sich eine vermeintlich harmlose Stelle als Museumswärter als Knochenjob herausstelle ("Es ist so langweilig."), beeindruckten Kurfer die Sargträger ("ziemlich schweigsame Leute") hingegen sehr. "Gerade wegen dieser Würde, die sie auch bei Beerdigungen zeigen, bei denen kein Publikum ist."

Ob er jemals ein Übernahmeangebot bekommen hat? "Nee, nee. Und wahrscheinlich hätte ich es auch ausgeschlagen." Eines steht für ihn fest: Keine "Horrorjobs" mehr, auch nicht auf Probe. (dpa)

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Krankenhausgesellschaft verurteilt

Eine Million Euro Schmerzensgeld für schwere Behandlungsfehler

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Gastbeitrag

Wie sinnvoll sind Injektionen an der Wirbelsäule?

Rettungsdienst

Umfrage der Charité: Was Patienten in die Notaufnahme führt

Lesetipps
Eine männlicher Patient, der auf einem Fahrradergometer in die Pedale tritt, führt einen Belastungstest durch, um die Herzfunktion zu überprüfen.

© malkovkosta / stock.adobe.com

Mikrovaskuläre Dysfunktion

Was ein Belastungs-EKG bei Angina-pectoris-Verdacht bringt

Adipöse Kinder und Jugendliche tragen für den Rest ihres Lebens eine enorme Bürde mit sich. Die Folgen zeichnen sich bereits im Kindesalter ab und erstrecken sich bis ins Erwachsenenalter.

© kwanchaichaiudom / stock.adobe.com

Adipositas bei Kindern und Jugendlichen

Hoffnung auf neue Medikamente zur Gewichtsreduktion bei Kindern