Soziale Pflegeversicherung

Viele Optionen, keine Festlegungen: Abschlussbericht zur geplanten Pflegereform liegt vor – und enttäuscht

Die Pflegereform ist längst noch nicht in trockenen Tüchern. In ihrem Abschlussbericht für den „Zukunftspakt Pflege“ werden Bund und Länder wenig konkret. Gesundheitsministerin Nina Warken spricht von einem ambitionierten Zeitplan.

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Als Pflegereformerin gefragt: Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) – hier bei der Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch.

Als Pflegereformerin gefragt: Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) – hier bei der Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch.

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Statt klarer Reformziele nur zusammenhangslose Optionen: Bund und Länder stecken bei ihrem Vorhaben fest, für eine „nachhaltige Finanzierung und Finanzierbarkeit“ der sozialen Pflegeversicherung zu sorgen.

Zwar präsentierte die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ am Donnerstag ihren sechsseitigen Abschlussbericht – flankiert von einem Presseauftritt von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Bei der Frage, wie Pflege bezahlbar bleibt, kommt das Papier aber über das Aufzählen möglicher „Grundmodelle“ nicht hinaus.

Beispiel Eigenanteil im Heim. Die sind für die rund 750.000 Bewohner zuletzt stark gestiegen und liegen inzwischen im Schnitt bei monatlich mehr als 3000 Euro. Zur Lösung des Problems bietet die Arbeitsgruppe die Varianten (Leistungs-)„Dynamisierung“ und „Sockel-Spitze-Tausch“ (bei pflegebedingten Kosten) an.

Mit dem Rücken an der Wand

Neu ist das nicht, wohl aber umstritten. Das betont auch die AG: Beide Modelle brächten Auswirkungen auf die Ausgaben der Pflegekassen mit sich. Die aber stehen mit dem Rücken zur Wand – für 2026 wird ein Defizit von bis zu 3,5 Milliarden Euro vorausgesagt.

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Damit die Beiträge nicht steigen, springt der Bund mit einem Milliarden-Darlehen zur Seite. Danach sieht es düster aus: Der Bundesrechnungshof etwa warnt vor Pflegedefiziten von mehr als zwölf Milliarden Euro bis zum Jahr 2029.

Als weitere Möglichkeiten zur Entlastung werden die vollständige Übernahme der medizinischen Behandlungspflege durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die Umfinanzierung der Ausbildungskosten in der Pflege aufgeführt.

Mehrausgaben oder mehr Steuermittel?

Auch das ist nicht unproblematisch. Im Bericht der Bund-Länder-AG heißt es: Während die erste Option zu Mehrausgaben in der GKV führe, setze die zweite die Gegenfinanzierung aus Steuermitteln voraus.

Um Letztere kämpfen AOK, TK & Co. seit geraumer Zeit. Für die Pflegeversicherung beziffert der BKK Dachverband die Höhe der versicherungsfremden Leistungen – inklusive der in der Pandemie aufgelaufenen Coronakosten – auf rund 10,5 Milliarden Euro.

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Bei Optionen belässt es das Abschlusspapier auch mit Blick auf den seit Jahren geforderten Ausbau privater Pflegevorsorge. Zusatzpolicen könnten – wenig überraschend – entweder obligatorisch oder freiwillig sein.

Bislang ist Deutschland in Sachen private Pflegeabsicherung freiwillig unterwegs – entsprechend gering ist die Ausbeute bei den Policen: Schätzungsweise 85 Prozent der Deutschen verfügen nicht über eine Pflegezusatzversicherung.

Kassen: Pflegekrise verschärft sich weiter

Der Vorstandschef der DAK Gesundheit, Andreas Storm, nannte die Ergebnisse der AG eine bittere Enttäuschung. „Damit verschärft sich die Pflegekrise weiter.“ Die Kommission habe die Blaupause für eine große Pflegereform liefern sollen. „Stattdessen hat sie ein unverbindliches Sammelsurium aller denkbaren Reformoptionen vorgelegt.“

Ernüchtert reagierte auch die Chefin beim AOK-Bundesverband, Dr. Carola Reimann. „Statt einen klaren Fahrplan aufzuzeigen, drücken sich die versammelten Verantwortungsträger auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene vor eindeutigen Aussagen und liefern keine Entscheidungen für eine nachhaltige Struktur- und Finanzierungsreform in der Pflegeversicherung.“

Vom PKV-Verband hieß es, die AG habe eine „Ideensammlung für die Neuaufstellung der Pflegeversicherung“ präsentiert. Nun müsse die Bundesregierung eine Reform auf den Weg bringen, „die auf Eigenverantwortung, mehr Kapitaldeckung und Generationengerechtigkeit setzt“, so Verbandschef Dr. Florian Reuther.

Warken: Vorschläge gute Grundlage für Reform

Warken nannte die Vorschläge der AG dagegen eine „gute Grundlage“ für die geplante Finanz- und Stukturreform. Die Arbeit habe sich gelohnt. „Das liegt jetzt sehr schön auf dem Tisch.“ Freilich müssten verschiedene „Enden“ jetzt zusammengebunden und einem „Praxischeck“ unterzogen werden. Auch in der Vergangenheit habe es bei grundlegenden Reformen lange Debatten vorab gegeben.

Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) sagte, die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen müssten noch politisch gewichtet werden. Sie mache keinen Hehl daraus, dass auch ein Finanzausgleich zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung für die A-Länder vorstellbar seien.

NRW-Gesundheitsminister Karl Josef Laumann (CDU) betonte, mit Blick auf die Finanzierung gebe es Punkte, wo A- und B-Länder unterschiedliche Auffassungen vertreten würden. Dazu gehöre auch der Sockel-Spitze-Tausch.

Laumann: Müssen die informelle Pflege stärken

Wichtig für ihn sei: „Wir müssen vor allem eine Stabilisierung der häuslichen Pflege hinbekommen.“ Ohne häusliche Pflege wäre das Pflegesystem überhaupt nicht steuerbar, so Laumann.

Und wie geht es jetzt weiter? Über die strukturelle Sanierung der Pflegeversicherung – angedacht sind der Ausbau von Prävention, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, mehr Beratungsangebote sowie ein Notfallbudget für Pflegebedarfe an Wochenenden oder in Krisensituationen – will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zeitnah das Gespräch mit Verbänden suchen.

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Zur Frage der Pflegefinanzierung soll das BMG einen Vorschlag vorlegen und die Länder zu einem Gespräch auf Ministerialebene einladen. Als Termin wird der Februar 2026 genannt. Inkrafttreten soll eine Pflegestruktur- und -finanzierungsreform Ende 2026. Warken sprach von einem ambitionierten Zeitplan. Untätigkeit sei aber keine Option.

Der Chef beim Arbeitgeberverband Pflege (AGVP), Thomas Greiner, merkte am Donnerstag an, dass der Druck auf Warken und die Koalition wachse: Die Regierung müsse das Reformpaket „entschlossen“ aufs Gleis setzen. „Sonst wird aus dem Zukunftspakt Pflege ein leeres Versprechen für die Pflegebedürftigen.“ (hom)

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